Urheberrecht im KI-Zeitalter: Insellösung für die Schweiz?

Abstract

Im Februar 2025 hat sich der Schweizer Bundesrat dafür ausgesprochen, die künstliche Intelligenz (KI) so zu regulieren, dass ihr Potential für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Schweiz nutzbar gemacht wird (vgl. unser Bulletin vom 13. Februar 2025). Ein parlamentarischer Vorstoss könnte dieses Vorhaben nun torpedieren: Mittels einer Motion wird gefordert, das Urheberrecht zu Lasten von Entwicklern und Anwendern von KI zu stärken. Die von der Motion verlangte, im internationalen Vergleich aussergewöhnlich restriktive und einseitige Insellösung bedroht die Schweiz als Standort für KI-Forschung und -Entwicklung. Noch ist nicht entschieden, ob das Ansinnen umgesetzt wird.

Worum geht es?

Das Schweizer Parlament muss über einen parlamentarischen Vorstoss mit dem Titel «Besserer Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch» entscheiden. Die Motion von Ende 2024 wurde – für viele Beobachter etwas überraschend – vom Bundesrat befürwortet und vom Ständerat angenommen. Demnächst wird der Nationalrat über das Schicksal der Motion entscheiden.

Welche Ziele sollen mit der Motion erreicht werden?

Die Motion stellt die mit KI verbundenen Risiken für den Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken in den Vordergrund. Laut Motion gefährde der rasante Fortschritt im Bereich KI den Schutz des geistigen Eigentums, die Innovationskraft und den fairen Wettbewerb in der Schweiz.

Um diesen Risiken entgegenzuwirken, soll die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken für Angebote der generativen KI nur noch mit der Zustimmung des Rechteinhabers möglich sein. Insbesondere soll die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Training von KI voraussetzen, dass vorgängig die Zustimmung des Rechteinhabers eingeholt wird. Zudem verlangt die Motion, dass sich KI-Anbieter (wie etwa ChatGPT) etwa im Zusammenhang mit dem Training ihrer KI-Modelle nicht auf im Urheberrecht vorgesehene Ausnahmen stützen dürfen, so etwa das Recht zur freien Verwendung von Werken für die Zwecke der wissenschaftlichen Forschung.

Mit ihrem Fokus auf Medieninhalte reiht sich die Motion in verschiedene politische Vorstösse der letzten Jahre ein, die auf eine Stärkung der (urheberrechtlichen) Position von Medienunternehmen abzielen. In diesem Sinne hat der Bundesrat zuletzt die Botschaft zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes) veröffentlicht und dem Parlament zur Beratung überwiesen. Gemäss dieser Botschaft soll durch Einführung eines Vergütungsanspruchs ein Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen und Medienschaffende geschaffen werden.

Welche Auswirkungen hätte eine Umsetzung der Motion?

Die Motion gibt vor, die Innovationskraft sowie den fairen Wettbewerb in der Schweiz stärken zu wollen. Zu befürchten ist, dass die Umsetzung der Motion gegenteilige Folgen hat, da primär und einseitig die Interessen der Rechteinhaber geschützt werden: Durch die gesetzliche Verankerung eines zwingenden Zustimmungsvorbehalts würden in der Schweiz Entwickler und Anwender von KI im Vergleich zum Ausland erheblich eingeschränkt. Das betrifft nicht nur Technologieunternehmen, sondern auch Forschende und die Anwendung von KI im Unternehmensalltag.

Bei Umsetzung der Motion würde das Training von KI-Modellen in der Schweiz faktisch verunmöglicht. Angesichts der grossen Menge an Daten, die für das Training von KI-Modellen notwendig ist, scheint es nahezu unmöglich, dafür die Zustimmung aller Rechteinhaber einzuholen. Die Konsequenzen der Umsetzung der Motion für die KI-Forschung und -Entwicklung in der Schweiz dürften entsprechend gravierend sein. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Forschungsinstitutionen und Unternehmen den mit der Umsetzung einer Schweizer Insellösung verbundenen Aufwand in Kauf nehmen. Stattdessen droht die Gefahr der Abwanderung ins Ausland, was darüber hinaus dazu führen könnte, dass KI-Anwendungen in der Schweiz gar nicht mehr angeboten werden.

Stellungnahme und Ausblick

Dass sich das Parlament in die Debatte über den Umgang mit dem Spannungsfeld zwischen dem Urheberrecht und der Nutzung von geschützten Werken für KI-Anwendung einbringt, ist begrüssenswert. Die von der Motion geforderte Insellösung für die Schweiz begünstigt aber einseitig die Interessen der Rechteinhaber zum Nachteil der Entwickler und Anwender von KI. Das gefährdet den Innovationsstandort Schweiz.

Ob die Motion vom Nationalrat angenommen wird, bleibt abzuwarten. In diesen Tagen berät die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats als vorbereitende Kommission über die Motion. Im Herbst soll die Abstimmung im Nationalrat folgen. Bei einer Annahme durch den Nationalrat wäre der Bundesrat verpflichtet, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, der die Forderungen der Motion umsetzt.

Die Annahme und Umsetzung der Motion würde der laufenden Diskussion über andere und weniger einschneidende Ansätze zur Schaffung eines Interessenausgleichs im genannten Spannungsfeld vorgreifen. Das betrifft insbesondere auch die vom Bundesrat beauftragte Erstellung einer Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung von KI, die bis Ende 2026 vorliegen soll (vgl. unser Bulletin vom 13. Februar 2025). Angesichts der Tragweite der Thematik scheint die Ausarbeitung dieser Vernehmlassungsvorlage der geeignetere Rahmen zu sein, um einen Vorschlag zum Umgang mit dem Spannungsfeld KI und Urheberrecht zu entwickeln.

Falls Sie Fragen zu diesem Bulletin haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Homburger Kontakt oder an: