Investitionsprüfgesetz: Bundesrat legt Minimalvariante vor

Abstract

Der Bundesrat hat am 15. Dezember 2023 die Botschaft zum Investitionsprüfgesetz vorgelegt. Gegenüber dem Vorentwurf vom Vorjahr handelt es sich beim vorliegenden Gesetzesentwurf um eine Minimalvariante mit deutlich reduziertem Geltungsbereich. Meldepflichtig sollen (einzig) Übernahmen von Schweizer Unternehmen sein, sofern:

  1. ein ausländischer staatlicher Investor die Kontrolle erlangt;
  2. ein (sicherheits-)kritischer Sektor betroffen ist; und
  3. die Bagatell- bzw. Umsatzschwellen überschritten sind.

Der Entwurf des Investitionsprüfgesetzes geht nun in die parlamentarische Beratung. Mit dem Inkrafttreten ist frühestens 2025 zu rechnen.

A. Ausgangslage

Am 15. Dezember 2023 hat der Bundesrat die Botschaft zum Investitionsprüfgesetz (Botschaft IPG) verabschiedet. Gegenüber dem Vorentwurf vom 18. Mai 2022 (VE-IPG; vgl. Homburger-Bulletin vom 19. Mai 2022) hat der Entwurf für ein Investitionsprüfgesetz (E-IPG) gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung wesentliche Änderungen erfahren: In der Vernehmlassung hätten sich weite Kreise gegen eine Investitionskontrolle bzw. zumindest für eine Beschränkung des Geltungsbereichs derselben ausgesprochen. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass eine Investitionskontrolle den Wirtschaftsstandort Schweiz schwächt, weshalb er einen «möglichst zielgerichteten» Gesetzesentwurf ausgearbeitet hat – mit einer Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Übernahmen von Schweizer Unternehmen durch ausländische staatliche Investoren in kritischen Bereichen.[1]

Im Zentrum der Debatte um die Einführung einer Investitionskontrolle steht die Abwägung zwischen dem für den Wirtschaftsstandort Schweiz gewichtigen volkswirtschaftlichen Interesse an der Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen einerseits und dem sicherheitspolitischen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor politisch motivierten Übernahmen durch ausländische Investoren andererseits:

  • Volkswirtschaftliche Interessen. Ausländische Direktinvestitionen werden mit wohlfahrtsfördernden Effekten in Verbindung gebracht, wie der Erhöhung des Kapitalstocks und damit verbundenem Einsatz neuer Technologien und Produkt- und Prozessinnovationen (Botschaft IPG, S. 68).
  • Sicherheitspolitische Interessen. Auf internationaler Ebene sind potentiell problematische Einflussnahmen ausländischer Investoren, Fragen der Versorgungssicherheit und die Sicherung von strategischen und kritischen Gütern vermehrt in den Blickpunkt geraten. Gemäss Regulierungsfolgenabschätzung kann eine Investitionskontrolle in einigen Sektoren zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beitragen, namentlich bei Rüstungs- und Dual-Use-Gütern, sicherheitsrelevanten Informatikdienstleistungen sowie Arzneimitteln und Medizinprodukten (Botschaft IPG, S. 66).

Historisch verfolgt die Schweiz gegenüber ausländischen Direktinvestitionen eine offene Politik und hat den volkswirtschaftlichen Interessen den Vorzug gegeben, flankiert von sektorspezifischen Sonderregeln. Ob das Parlament im Rahmen der Beratungen des Gesetzesentwurfs der Minimalvariante des Bundesrates folgen, weitere sektorspezifische Regeln[2] beschliessen oder den Geltungsbereich der Investitionskontrolle zugunsten der sicherheitspolitischen Interessen ausdehnen wird, ist derzeit offen.

B. Grundzüge des E-IPG

1. Regelungszweck

Schutzobjekt des E-IPG ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Schweiz.

Würdigung. Der E-IPG erteilt damit weiterführenden Zielen wie der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische Investitionen oder dem Schutz von Arbeitsplätzen im Inland eine Absage. Gegenüber dem Vorentwurf wurde diese Zielsetzung konsequenter verwirklicht, indem insbesondere bei den Genehmigungskriterien grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden soll, ob mit der Übernahme wesentliche Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Dies entspricht dem international üblichen Standard für Investitionskontrollregime, die in der Regel sicherheitspolitische Zielsetzungen verfolgen – wettbewerbliche Ziele sind etwa via das Kartell- und/oder Subventionsrecht zu verwirklichen.

2. Genehmigungspflichtige Übernahmen (Aufgreifkriterien)

2.1 Übersicht

Gemäss E-IPG unterliegt ein Sachverhalt einer Genehmigungspflicht, sofern nachstehende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Es handelt sich um eine Übernahme;
  • eines inländischen (Schweizer) Unternehmens;
  • durch einen ausländischen staatlichen Investor;
  • in einem (sicherheits-)kritischen Sektor;
  • oberhalb der Bagatell- bzw. Aufgreifschwelle.

2.2 Geltungsbereich

Gegenüber dem Vorentwurf ergeben sich folgende Einschränkungen des Geltungsbereichs (vgl. nachstehende Abbildung):

  • Nicht mehr alle Übernahmen durch staatlich kontrollierte ausländische Investoren werden von der Investitionsprüfung erfasst, sondern nur noch diejenigen in besonders kritischen Sektoren;
  • Übernahmen durch private ausländische Investoren unterstehen keiner Genehmigungspflicht, selbst wenn diese einen der besonders kritischen Sektoren betreffen.

Quelle: Botschaft IPG, S. 11

2.3 Die Aufgreifkriterien im Einzelnen

2.3.1 Übernahme

Der Begriff der Übernahme (Art. 2 lit. a E-IPG) knüpft am fusionskontrollrechtlichen Kontrollbegriff gemäss Art. 4 Abs. 3 des Kartellgesetzes (KG) an. Die Kontrolle wird übernommen, wenn der Investor die Möglichkeit hat, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben, indem er die wesentlichen Fragen der Geschäftsführung und die allgemeine Geschäftspolitik bestimmt (Botschaft IPG, S. 36). Daher besteht – anders als beispielsweise in Deutschland oder Frankreich – keine Genehmigungspflicht bei einem Erwerb einer bestimmten Minderheitsbeteiligung ohne Übernahme der (alleinigen oder gemeinsamen) Kontrolle.

Würdigung. Die Anknüpfung an die bewährte fusionskontrollrechtliche Praxis scheint sachgerecht und erhöht die Voraussehbarkeit für die von einer allfälligen Genehmigungspflicht betroffenen Unternehmen, die ein Self-Assessment vorzunehmen haben. Kritisch zu beurteilen ist daher die in der Botschaft vertretene Auffassung (S. 37), wonach bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit gemeinsamer Kontrolle durch (mindestens) zwei Unternehmen immer eine Übernahme im investitionskontrollrechtlichen Sinn vorliege, selbst wenn es sich nicht um ein Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen handeln sollte. Diese Abweichung vom fusionskontrollrechtlichen Verständnis (Art. 2 Abs. 2 der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen) ist abzulehnen, da diese das Tor für einen autonomen Zusammenschlussbegriff im Bereich der Investitionskontrolle öffnet und die Rechtsanwendung erschweren würde.

2.3.2 Inländisches (Schweizer) Unternehmen

Der Unternehmensbegriff (Art. 2 lit. b E-IPG) orientiert sich am funktionalen kartellrechtlichen Verständnis (Art. 2 Abs. 1bis KG). Massgebend für die Qualifikation als Unternehmen ist daher, ob es sich um einen Nachfrager oder Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess handelt.

Als inländisch gilt jedes Unternehmen, das im schweizerischen Handelsregister eingetragen ist (Art. 2 lit. c E-IPG). Im Interesse der Rechtssicherheit ist dies sachgerecht, da das formelle Kriterium des Handelsregistereintrags klar und durchführbar ist. Gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung hat der Bundesrat die zur Diskussion gestellte Variante verworfen, wonach nur im schweizerischen Handelsregister eingetragene Unternehmen erfasst werden, die nicht Teil einer Unternehmensgruppe mit Hauptverwaltung im Ausland sind.

2.3.3 Ausländischer staatlicher Investor

Als ausländischer Investor gilt jede Person oder Einheit, deren Ort der Hauptverwaltung sich ausserhalb der Schweiz befindet und die beabsichtigt, ein inländisches Unternehmen zu übernehmen.

Als staatlich soll ein staatlicher Investor in folgenden Konstellationen gelten (Art. 2 lit. d E-IPG):

  • Ausländische staatliche Organe, die direkt als Investoren auftreten;
  • Unternehmen und vermögensfähige Gesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar von einem ausländischen staatlichen Organ kontrolliert werden;
  • natürliche oder juristische Personen, die im Auftrag eines Staats handeln.

Der praktisch bedeutsamste Fall der Kontrolle eines Investor-Unternehmens durch ein ausländisches staatliches Organ verweist auf den im Zusammenhang mit Art. 2 lit. a E-IPG bereits dargestellten – sich an die Fusionskontrolle anlehnenden – Kontrollbegriff. Kriterien sind (Botschaft IPG, S. 40):

  • Ernennung und Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung;
  • Genehmigung von Budget, Geschäftsplan oder Investitionen;
  • Veto-Recht oder Genehmigung bei strategischen Entscheidungen des ausländischen Investors.

Es bietet sich an, auf die etablierte fusionskontrollrechtliche Praxis der Europäischen Kommission zur Beurteilung der Kontrolle von staatlichen Unternehmen abzustellen, die folgende Kriterien kennt:[3]

  • die Autonomie des staatlichen Unternehmens vom Staat bei der Festlegung von Strategie, Geschäftsplan, und Haushalt;
  • die Möglichkeit des Staates, das Geschäftsgebaren zu koordinieren, indem er eine Koordinierung vorschreibt oder diese erleichtert.

Würdigung. Vor dem Hintergrund des erwähnten Regelungszwecks ist eine die öffentliche Ordnung und Sicherheit potentiell beeinträchtigende politisch motivierte Übernahme nicht zu erwarten, solange kein Kontrollerwerb stattfindet. Unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit Beteiligungen von ausländischen staatlichen Investoren ohne Kontrollerwerb – z.B. Finanzierungs-, Steuer-, Informationsvorteile, Quersubventionierungen – ist mit alternativen Regelungskonzepten ausserhalb der Investitionskontrolle zu begegnen.

2.3.4 Sicherheitskritische Sektoren

Der E-IPG nennt für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besonders kritische Bereiche und unterscheidet dabei zwischen Bereichen (i) mit Bagatellschwelle und (ii) Bereichen mit Umsatzschwelle. Grundsätzlich unterliegen nach dem vorgeschlagenen Regelungskonzept nur Übernahmen im Bereich dieser kritischen Sektoren durch ausländische staatliche Investoren einer Genehmigungspflicht.

Die aus Sicht des Bundesrates sensitivsten Bereiche mit einer blossen Bagatellschwelle finden sich bei Unternehmen (Art. 3 Abs. 1 E-IPG),

  • die Güter herstellen oder Immaterialgüter übertragen, die für die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee, Sicherheitsinstitutionen des Bundes und Weltraumprogramme von entscheidender Bedeutung sind, sofern deren Ausfuhr ins Ausland nach dem Kriegsmaterialgesetz (KMG; Rüstungsgüter) oder nach dem Güterkontrollgesetz (GKG; insb. Dual-Use-Güter) bewilligungspflichtig ist;
  • die das inländische Übertragungsnetz, Verteilnetze, Kraftwerke oder Erdgas-Hochdruckleitungen betreiben oder kontrollieren;
  • die mind. 100’000 Einwohner mit Wasser versorgen;
  • die zentrale sicherheitsrelevante Informatikdienstleistungen erbringen.

Im Unterschied zum Vorentwurf sollen nicht mehr alle Übernahmen von Unternehmen, die gemäss KMG bzw. GKG bewilligungspflichtige Güter herstellen, genehmigungspflichtig sein. Vielmehr ist eine Genehmigung nur erforderlich, wenn die entsprechenden Güter für die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee, Sicherheitsinstitutionen des Bundes oder Weltraumprogramme von entscheidender Bedeutung sind.

Die sicherheitskritischen Bereiche mit Umsatzschwelle sind (Art. 3 Abs. 2 E-IPG):

  • Spitäler;
  • Unternehmen in den Bereichen Pharma, Medizinprodukte, Impfstoffe und persönliche Schutzausrüstung;
  • Unternehmen, die bedeutende inländische Knotenpunkte betreiben oder kontrollieren (Häfen, Flughäfen, Umschlagsanlagen für kombinierten Verkehr);
  • Unternehmen, die Eisenbahninfrastrukturen betreiben oder kontrollieren;
  • Unternehmen, die Verteilzentren für Lebensmittel betreiben oder kontrollieren;
  • Unternehmen, die inländische Telekommunikationsnetze betreiben oder kontrollieren;
  • Unternehmen, die Finanzmarktinfrastrukturen betreiben oder kontrollieren und systemrelevante Banken.

Diese kritischen Sektoren waren in der Vernehmlassung kaum umstritten und wurden materiell weitgehend unverändert in den E-IPG übernommen. Nicht unter den sicherheitskritischen Sektoren figurieren kritische Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nano- und Biotechnologie.

Daneben soll dem Bundesrat gemäss Art. 3 Abs. 3 E-IPG die Kompetenz verliehen werden, weitere Kategorien von inländischen Unternehmen befristet für 12 Monate (mit Möglichkeit der Verlängerung um weitere 12 Monate) der Genehmigungspflicht zu unterstellen.

Würdigung. Dies ist der Rechtssicherheit abträglich und kann zu einer diskriminierenden Rechtsanwendung führen, falls die Delegationsnorm dazu eingesetzt werden sollte, Übernahmen durch einen missliebigen ausländischen Investor zu vereiteln. Im Sinne des Legalitätsprinzips sollten daher alle materiellen Voraussetzungen der Genehmigungspflicht auf Gesetzesstufe verankert werden. Bei einer ernsthaften Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit steht das – freilich mit gebotener Zurückhaltung einzusetzende – ordentliche notrechtliche Instrumentarium zur Verfügung. Wenig erhellend ist auch die Kompetenz des Bundesrates («Kann-Bestimmung»), ausländische staatliche Investoren von der Genehmigungspflicht auszunehmen, sofern mit diesen Staaten eine «ausreichende Zusammenarbeit» bestehe, um «Gefährdungen und Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit» abzuwenden (Art. 3 Abs. 4 E-IPG). Mangels konziserer gesetzlicher Vorgaben verfügte der Bundesrat über einen grossen Ermessensspielraum, verbunden mit der Gefahr sachlich nicht begründeter Ungleichbehandlungen von ausländischen staatlichen Investoren.

2.3.5 Schwellenwerte

Bagatellschwelle. Die Genehmigungspflicht entfällt in Bezug auf Übernahmen im oben dargestellten besonders sensitiven Bereich, wenn die Bagatellschwelle für das inländische Unternehmen (weltweit mind. 50 Vollzeitstellen und Umsatz von CHF 10 Mio. in den zwei vorangegangenen Geschäftsjahren) nicht erreicht wird (Art. 3 Abs. 1 E-IPG).

Umsatzschwelle. In Bezug auf die übrigen Übernahmen in kritischen Sektoren besteht eine Umsatzschwelle. Diese ist erreicht, sobald die weltweiten Umsätze des inländischen Unternehmens (einschliesslich der von ihm kontrollierten Einheiten) CHF 100 Mio. übersteigen.

Würdigung. Die Bagatell- und Umsatzschwelle sind aus Gründen der Verfahrenseffizienz gerechtfertigt. In Einzelfällen besteht aber das Risiko, dass potentiell sicherheitsrelevante Übernahmen der Genehmigungspflicht entzogen werden. Zu denken wäre etwa an den Fall einer Übernahme eines inländischen Start-ups im Bereich der sicherheitsrelevanten Technologie- und Industriebasis (STIB) durch einen ausländischen staatlichen Investor, nachdem dieses eine disruptive Innovation im Verteidigungsbereich entwickelt hat.

3. Genehmigungskriterien (Eingreifkriterien)

Eine meldepflichtige Übernahme wird genehmigt, wenn im Rahmen einer ex ante Beurteilung «kein Grund zur Annahme besteht, dass […] die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder bedroht ist» (Art. 4 Abs. 1 E-IPG). Gemäss Botschaft ist konzeptionell eine Risikobeurteilung vorzunehmen, die sich auf das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und potentiellem Schadensausmass abstützt (Botschaft IPG, S. 46).

Anhand der Genehmigungskriterien soll im Zusammenhang mit der Eintrittswahrscheinlichkeit beurteilt werden, ob der ausländische staatliche Investor einen guten Ruf geniesst und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bietet (insb. keine Beteiligung an einer kriminellen Organisation; keine Spionage etc.; Art. 4 Abs. 2 lit. a-d E-IPG). Eines der massgeblichen Kriterien für das potentielle Schadensausmass stellt die mangelnde Substituierbarkeit der Dienstleistungen, Produkte oder Infrastrukturen des inländischen Unternehmens dar (Art. 4 Abs. 2 lit. e E-IPG; Botschaft IPG, S. 48).

Noch der Vorentwurf hatte vorgesehen, dass die Kooperationsbereitschaft des ausländischen Investors beim Genehmigungsentscheid berücksichtigt werden kann (Art. 5 Abs. 3 VE-IPG). Diese Bestimmung wurde zu Recht ersatzlos gestrichen, da die Kooperationsbereitschaft kein taugliches Kriterium darstellt, um die Gefährdung oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu beurteilen. Wie bereits erwähnt figuriert auch die Entstehung von Wettbewerbsverzerrungen nicht mehr unter den Eingreifkriterien nach Art. 4 E-IPG.

Insgesamt belassen die Eingreifkriterien den rechtsanwendenden Behörden aufgrund der sicherheitspolitischen Zwecksetzung der Investitionsprüfung einen grossen Ermessensspielraum. Sicherheitspolitik ist eine Prärogative der Exekutive, weshalb diese die unbestimmten Rechtsbegriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einzelfallweise auf Grundlage der tatsächlichen Bedrohungslage zu konkretisieren hat.

4. Verfahren

4.1 Vorabklärung

Gegenüber dem Vorentwurf wurde aufgrund von Anregungen in der Vernehmlassung neu eine sog. «Vorabklärung zur Genehmigungspflicht» in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Dieses – unglücklich als Vorabklärung bezeichnete – Instrument ist nicht bindend und soll den beteiligten Unternehmen die Abklärung einer voraussichtlichen Genehmigungspflicht ermöglichen (Botschaft IPG, S. 49).

Würdigung. In der Praxis dürfte diese Vorabklärung weitgehend wirkungslos bleiben. Um Rechtssicherheit betreffend die Genehmigungspflicht zu erhalten, müssen die betroffenen Unternehmen ein Gesuch im Rahmen des verbindlichen Genehmigungsverfahrens einreichen. Anstelle einer Vorabklärung zur Genehmigungspflicht dürften diese geneigt sein, im verbindlichen Genehmigungsverfahren einen Antrag auf Feststellung der fehlenden Genehmigungspflicht zu stellen, verbunden mit dem Antrag, wonach die Übernahme eventualiter zu genehmigen sei.

4.2 Genehmigungsverfahren

Das im E-IPG vorgesehene Genehmigungsverfahren ist an das kartellrechtliche Fusionskontrollverfahren angelehnt. Der ausländische Investor muss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die genehmigungspflichtige Übernahme vor deren Vollzug melden (Art. 6 Abs. 1 E-IPG). Bis zur Genehmigung ist die zivilrechtliche Wirksamkeit der Übernahme aufgeschoben (Art. 8 Abs. 4 E-IPG). Es besteht ein Vollzugsverbot, das mit Verwaltungsmassnahmen durchgesetzt (Art. 17 E-IPG) und mit Verwaltungssanktionen bis zu 10% des weltweiten Jahresumsatzes des aus der Übernahme entstandenen Unternehmens sanktioniert werden kann (vgl. Art. 18 E-IPG). Diese Sanktionsmöglichkeit ist wesentlich einschneidender als die entsprechende Regelung bei der Fusionskontrolle, bei der ein Verstoss gegen das Vollzugsverbot mit maximal CHF 1 Mio. sanktioniert werden kann.

Das SECO ist mit der Durchführung und Koordination der Investitionskontrolle betraut. Es trifft seine Entscheide im Einvernehmen mit den sog. mitinteressierten Verwaltungseinheiten, die es im Einzelfall bezeichnet (Art. 10 E-IPG). Infrage kommen nur Stellen der zentralen Bundesverwaltung, wobei das Staatssekretariat des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das neu geschaffene Staatssekretariat für Sicherheitspolitik in jedem Fall als mitinteressiert gelten.

Es ist ein zweistufiges Prüfverfahren vorgesehen (Art. 6 ff. E-IPG):

  • Phase I. Innerhalb eines Monats nach Eingang des vollständigen Gesuchs entscheidet das SECO im Einvernehmen mit den mitinteressierten Verwaltungseinheiten und nach Anhörung des NDB, ob die Übernahme direkt genehmigt werden kann oder ein Prüfverfahren einzuleiten ist (Art. 7 Abs. 1 E-IPG). Das SECO und die mitinteressierten Verwaltungseinheiten haben dabei jeweils ein Vetorecht: Kommt unter ihnen keine Einigung zustande, ist ein Prüfverfahren (Phase II) einzuleiten (Art. 7 Abs. 2 E-IPG).
  • Phase II. Im Rahmen einer vertieften Prüfung entscheidet das SECO innerhalb von drei Monaten ab der Einleitung des Prüfverfahrens, ob die Übernahme genehmigt wird; der Entscheid erfolgt im Einvernehmen mit den mitinteressierten Verwaltungseinheiten und nach Anhörung des NDB (Art. 8 Abs. 1 E-IPG). Falls sich das SECO oder eine mitinteressierte Verwaltungseinheit gegen die Genehmigung ausspricht oder der Entscheid von erheblicher politischer Tragweite ist, geht die Genehmigungskompetenz auf den Bundesrat über (Art. 8 Abs. 2 E-IPG). Die Nicht-Genehmigung einer Übernahme kann einzig der Bundesrat verfügen (Art. 8 Abs. 2 lit. a VE-IPG).

Würdigung. Die Anlehnung an das im Fusionskontrollrecht bewährte zweistufige Verfahren (Ablauf und Fristen) scheint sachgerecht. Phase I beginnt analog zur Fusionskontrolle erst mit dem Eingang des vollständigen Gesuchs; das SECO bestätigt die Vollständigkeit des Gesuchs (Botschaft IPG, S. 51). Dies deutet darauf hin, dass ein der fusionskontrollrechtlichen Praxis nachgebildetes Pre-Notification Verfahren möglich sein soll.

4.3 Rechtsschutz

Noch der Vorentwurf hatte vorgesehen, dass in Fällen «von erheblicher politischer Tragweite» eine gerichtliche Überprüfung auf die Einhaltung der Verfahrensgarantien oder das Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs beschränkt wird (Botschaft IPG, S. 19). Dies wurde in der Vernehmlassung insbesondere unter dem Aspekt der Gewaltenteilung kritisiert. Dieser Kritik trägt der E-IPG Rechnung, indem darauf verzichtet wurde, die gerichtliche Überprüfung in Fällen von erheblicher politischer Tragweite einzuschränken (Botschaft IPG, S. 19). Grundsätzlich sind nur (je allein) der ausländische Investor und das inländische Unternehmen beschwerdelegitimiert (Art. 18 Abs. 2 E-IPG).

C. Praktische Bedeutung und Ausblick

Mit dem E-IPG schränkt der Bundesrat den Geltungsbereich des Investitionsprüfgesetzes weiter ein. Sollte die Investitionsprüfung gemäss Gesetzesentwurf des Bundesrates umgesetzt werden, wären private ausländische Investoren nicht betroffen. Gestützt auf den vorliegenden Gesetzesentwurf wird geschätzt, dass jährlich nur eine geringe einstellige Anzahl von Übernahmen genehmigungspflichtig sein wird. Damit bliebe die Schweiz weiterhin offen für ausländische Direktinvestitionen, während für private ausländische Investoren der differenzierte Rahmen sektorspezifischer Regelungen anwendbar bliebe.

Praktisch bedeutsam bleibt der Gesetzesentwurf insbesondere für ausländische staatliche Investoren, die sich in Zukunft darauf einstellen müssen, dass eine Genehmigungspflicht vorliegen könnte, sofern sie Investitionen in einem der kritischen Sektoren tätigen. Bei solchen potentiell problematischen Übernahmen empfiehlt es sich, vertragliche Vorkehren für eine mögliche längere Prüfungsdauer oder die Nicht-Genehmigung zu treffen.

Die Vorlage wird nun in die parlamentarische Beratung gehen und kann noch bedeutende Änderungen erfahren. Mit einem Inkrafttreten des Investitionsprüfgesetzes ist nicht vor 2025 zu rechnen.

[1] Stellungnahme des Bundesrates vom 2. Juni 2023 zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 28. März 2023, Parlamentarische Initiative (16.498) Unterstellung der strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller, BBl 2023 1452, S. 9.
[2] Ergänzende sektorspezifische Regelungen werden derzeit insbesondere im Zusammenhang mit dem Postulat Pult diskutiert, wonach das Fernmeldegesetz nach dem Vorbild der 5G-Toolbox auf EU-Ebene um ein Instrumentarium ergänzt werden soll, das bei Verwirklichung geopolitischer Risiken zum Schutz der Fernmeldeinfrastruktur Massnahmen gegen Lieferanten erlaubt, die unter dem Einfluss eines ausländischen Staates stehen. Vgl. Postulat Pult (20.3984) vom 14. September 2020. «Digitale Infrastruktur. Geopolitische Risiken minimieren».
[3] COMP M.7850, EDF/CGN/NNB Group of Companies, Rz. 29-50; COMP M.7643, CNRC/Pirelli, Rn. 8-21; COMP M.7962, ChemChina/Syngenta, Rn. 81-88.

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