Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtes zur Berechnung von Monatsfristen

Abstract

In einem neuen Entscheid vom 13. August 2024 (Urteil 5A_691/2023, zur Publikation vorgesehen) hat das Bundesgericht entschieden, dass Monatsfristen (wie z.B. die Frist zur Einreichung einer Klagebewilligung) bereits am Tag des fristauslösenden Ereignisses und nicht erst am Folgetag, wie es Art. 142 Abs. 1 ZPO stipuliert, zu laufen beginnen.

Aus dem Urteil des Bundesgerichts wird leider nicht ganz klar, ob alle hängigen Prozesse, die mit abgelaufenen Klagebewilligungen eingeleitet wurden, aus Gründen der Rechtssicherheit normal weitergeführt werden können, so dass sich der bundesgerichtliche Entscheid nur auf noch nicht eingeleitete gerichtliche Prozesse bezieht. Im Fall, den das Bundesgericht konkret zu beurteilen hatte, hätte dem Kläger ein definitiver Rechtsverlust gedroht, weil er mit der ungültigen Klageeinleitung zugleich eine erbrechtliche Verwirkungsfrist verpasst hätte. Das Bundesgericht verwies daher auf seine Praxis zu Rechtsprechungsänderungen und forderte die erste Instanz auf, den Fall trotz abgelaufener Klagebewilligung zu behandeln.

Im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024 hatte sich das Bundesgericht mit der Berechnung von Monatsfristen auseinanderzusetzen.

Dem genannten Entscheid lag eine erbrechtliche Streitigkeit zugrunde. Der Beschwerdeführer verlangte mit Schlichtungsgesuch die Teilung des Nachlasses und die Herabsetzung eines Vorausvermächtnisses sowie weiterer lebzeitiger Zuwendungen an seine Geschwister, soweit diese nicht der Ausgleichung unterlägen. Da im Schlichtungsverfahren keine Einigung zu Stande kam, wurde dem Beschwerdeführer am 26. Januar 2022 die Klagebewilligung zugestellt. Gestützt auf diese reichte er am 12. Mai 2022 beim Bezirksgericht Höfe eine Klage auf Erbteilung und Herabsetzung ein. Das Bezirksgericht trat auf die Klage mangels gültiger Klagebewilligung nicht ein. Das Kantonsgericht Schwyz wies die Berufung ab und bestätigte den Nichteintretensentscheid. Hiergegen gelang der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht.

Das Bundesgericht hatte zu beurteilen, ob die dreimonatige Frist zur Prosequierung der Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 3 ZPO) am Tag der Zustellung der Klagebewilligung (damit am 26. Januar 2022) oder in erst am darauffolgenden Tag, dem 27. Januar 2022, zu laufen begann.

Das Bundesgericht entschied gestützt auf das europäische Übereinkommen über die Berechnung von Fristen vom 16. Mai 1972 (SR 0.221.122.3; für die Schweiz in Kraft seit 28. April 1983; EuFrÜb), dass die Frist zur Klageeinreichung mit der Eröffnung bzw. Zustellung der Klagebewilligung zu laufen beginnt. Dieser Tag entspreche dem dies a quo. Die Zustellung der Klagebewilligung am 26. Januar 2022 stellt somit das fristauslösende Ereignis dar. Da Art. 209 Abs. 3 ZPO die Frist in Monaten ausdrückt, ist der Tag, an dem die Frist abläuft, der Tag des letzten Monats, der die gleiche Zahl trägt wie derjenige, an dem die Frist zu laufen begonnen hat. Im vorliegenden Fall endete die Frist folglich am 26. April 2022. Wegen des Fristenstillstands um Ostern verlängerte sich die Prosequierungsfrist um 15 Tage und lief am 11. Mai 2022 ab (E. 4).

Der Beschwerdeführer argumentierte dagegen, dass Art. 142 Abs. 1 ZPO anzuwenden sei, weshalb die Frist mit der Eingabe vom 12. Mai 2022 gewahrt wurde (E. 5). Art. 142 Abs. 1 ZPO hält fest, dass Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, erst am Folgetag zu laufen beginnen.

In der Folge legte das Bundesgericht Art. 142 Abs. 1 und 2 ZPO aus. Es äusserte sich dazu, ob die beiden Absätze so zu kombinieren sind, dass der «Tag, an dem die Frist zu laufen begann» gemäss Art. 142 Abs. 2 ZPO in Anwendung von Art. 142 Abs. 1 ZPO definiert wird als der Tag, der einer Mitteilung oder dem Eintritt eines Ereignisses folgt, oder ob die beiden Absätze isoliert auszulegen sind, womit sich Abs. 1 nur auf Tagesfristen bezieht, während für die Berechnung einer Frist nach Monaten der Ereignistag selbst relevanter Bezugspunkt darstellt (E. 5.4).
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass Art. 142 Abs. 2 ZPO in dem Sinn auszulegen sei, als der «Tag, an dem die Frist zu laufen begann», sich – entgegen der vor diesem Entscheid herrschenden Lehre und der Gerichtspraxis einiger kantonaler Gerichte – nicht nach Art. 142 Abs. 1 ZPO richtet, sondern auf den Tag des fristauslösenden Ereignisses Bezug nimmt (E. 5.6; zur Auslegung von Art. 142 ZPO E. 5.4 f.). Demnach hat der Beschwerdeführer auch in Anwendung von Art. 142 Abs. 2 ZPO die Klagefrist gemäss Art. 209 Abs. 3 ZPO verpasst. Die am 12. Mai 2022 erhobene Klage war somit nicht nur bei Anwendbarkeit des EuFrÜbs, sondern auch bei Anwendbarkeit der ZPO verspätet (E. 5.6). Das Bundesgericht hatte sich aus diesem Grund nicht zum Verhältnis der beiden Rechtsquellen zu äussern (E. 5.7).

Vor dem Hintergrund des Grundsatzes von Treu und Glauben wurde die Beschwerde letztlich trotzdem gutgeheissen, da die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser Frage uneinheitlich (E. 5.4.3) und der Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers nicht offensichtlich unzutreffend war. Zudem konnte er sich hierfür auf einen Grossteil der Doktrin sowie auf kantonale Rechtsprechung stützen (E. 5.4.1). Daher wäre es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, ihn die Folgen der erstmaligen Klärung der Auslegung von Art. 142 Abs. 2 ZPO tragen zu lassen, zumal er im Falle eines Nichteintretens auf seine Klage eine erbrechtliche Verwirkungsfrist verpasst hätte (E. 6 f.).

Aus dem Urteil wird leider nicht ganz klar, ob alle hängigen Prozesse, die gemäss der neuen Rechtsprechung mit «abgelaufener» Klagebewilligung eingeleitet wurden, normal weitergeführt werden können, so dass sich der bundesgerichtliche Entscheid nur auf noch nicht eingeleitete gerichtliche Prozesse bezieht.

Erwähnenswert ist weiter, dass das Bundesgericht in seinen Ausführungen den erst kürzlich von der gleichen Abteilung ergangenen BGE 149 III 410 vom 3. August 2023 ausser Acht lässt. Darin erwähnte es noch, dass die 15-monatige Frist zur Stellung des Konkursbegehrens erst am Tag nach der Zustellung des Zahlungsbefehls zu laufen beginnt (E. 6.2). Da Art. 31 SchKG für die Berechnung und den Lauf der Fristen auf die ZPO verweist und aufgrund der Klarheit der neuen Entscheidung, in welcher auch auf Entscheide im Zusammenhang mit der Frist zur Stellung des Fortsetzungsbegehrens hingewiesen wird (Art. 88 Abs. 1 SchKG, vgl. E. 5.4.3), kann wohl nicht mehr an der in BGE 149 III 410 E. 6.2 geäusserten Ansicht festgehalten werden, auch wenn dieser Entscheid nicht explizit erwähnt wurde.

Das Bundesgericht hielt zudem fest, dass der neue Entscheid am Lauf und der Berechnung von Tagesfristen nichts ändert. Da sich Tagesfristen sowohl nach dem EuFrÜb als auch nach der ZPO gleich berechnen, bleibt Art. 142 Abs. 1 ZPO uneingeschränkt anwendbar (E. 4.2.3, 5.5.1.2 und 5.5.3.2).

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