Parlament beschliesst
Teilrevision des
Kartellgesetzes

Wettbewerbsabreden, Missbrauch von Marktmacht, Fusionskontrolle und mehr: Was ändert, was bleibt.

Die Teilrevision des Kartellgesetzes (KG) wurde am 4. Dezember 2025 vom Parlament angenommen. Nach mehrfacher Differenzbereinigung im National- und Ständerat sind die letzten Diskussionspunkte geklärt. Bis zuletzt offen war die Frage, ob zur Feststellung einer sanktionsbedrohten Wettbewerbsabrede neben qualitativen zwingend auch quantitative Umstände zu berücksichtigen sind.

Die Teilrevision passt das Schweizer Kartellrecht an internationale Standards an, steigert die Effizienz der Wettbewerbsaufsicht und erhöht die Rechtssicherheit für Unternehmen. Durch die Einführung des Significant Impediment to Effective Competition-Tests (SIEC-Test) wird die schweizerische an die europäische Fusionskontrolle angeglichen. Zudem stärkt die Teilrevision das Kartellzivilrecht und erweitert die Verfahrensrechte der Unternehmen und Konsumenten.

Das KG ist seit 1995 Grundlage für die Sicherstellung des wirksamen Wettbewerbs in der Schweiz. Nachdem 2012 eine Teilrevision gescheitert war, nahm der Bundesrat im November 2021 einen neuen Anlauf und veröffentlichte einen Vorentwurf. Im Mai 2023 verabschiedete er die Botschaft. Die Debatten im National- und Ständerat folgten ab Juni 2024. Aufgrund verschiedener Abweichungen und neuer Vorschläge erfolgte in der Herbst- und Wintersession 2025 die Differenzbereinigung.

Die Schlussabstimmung im Parlament ist noch ausstehend, dürfte aber unumstritten bleiben. Mit dem Inkrafttreten ist frühestens 2027 zu rechnen.

1. Quantitative Auswirkungskontrolle bei Wettbewerbsabreden und dem Missbrauch von Marktmacht

Bis zuletzt umstritten – und nun entschieden: Wettbewerbsabreden und der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung unterliegen künftig einer differenzierten Auswirkungskontrolle. Es müssen in jedem Fall nicht nur qualitative Erfahrungswerte, sondern auch quantitative Elemente berücksichtigt werden.

1.1 Wettbewerbsabreden

Nicht nur die Form, sondern auch die Wirkung einer Wettbewerbsbeschränkung ist entscheidend, und zwar bei jedem potenziellen Wettbewerbsverstoss. Dies sieht der neue Gesetzestext in Art. 5 Abs. 1bis revKG vor. Das Kartellgesetz kennt zwei Arten von Wettbewerbsabreden:

  • Bei den harten Abreden vermutet das Gesetz die Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs (Art. 5 Abs. 3 und 4 KG). Dazu zählen Preis-, Mengen- und Gebietsabreden zwischen Wettbewerbern sowie im Verhältnis zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen Abreden über Mindest- oder Festpreise und Abreden über absoluten Gebietsschutz. Gelingt es einem Unternehmen nicht, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen und die Abrede aus Gründen wirtschaftlicher Effizienz zu rechtfertigen, droht eine Sanktion, die bis zu 10% des Jahresumsatzes betragen kann (Art. 49a Abs. 1 KG)
  • Bei allen übrigen Wettbewerbsabreden muss geprüft werden, ob sie den wirksamen Wettbewerb erheblich beschränken. Dazu werden die Art und die Wirkung der Abrede beurteilt. Diese Abreden sind nicht direkt sanktionsbedroht, können aber für die Zukunft verboten werden. Verstösst ein Unternehmen gegen dieses Verbot, droht eine Sanktion (Art. 49a Abs. 1 KG).

Die Teilrevision erhöht die Anforderungen zur Feststellung einer harten Wettbewerbsabrede. Eine solche liegt künftig erst dann vor, wenn sie im konkreten Fall geeignet ist, den wirksamen Wettbewerb zu beeinträchtigen. Dazu sind nicht nur qualitative Elemente, etwa Erfahrungswerte zur Wirkung vergleichbarer Vereinbarungen, sondern auch quantitative Auswirkungen zu untersuchen. Indikatoren für die quantitativen Auswirkungen sind die Marktanteile und die Marktstellung eines Unternehmens und bestehende Zugangshürden zu einem Markt.

Diese gesetzgeberische Justierung hin zu einem effects-based approach ist eine direkte Reaktion auf den Bundesgerichtsentscheid in Sachen Gaba (BGE 143 II 297). Das Bundesgericht hielt 2016 fest, dass gewisse in Art. 5 Abs. 3 und 4 KG aufgeführte Abreden bereits aufgrund ihrer Qualität grundsätzlich erheblich wettbewerbsbeschränkend seien. Entsprechend müsse ihre volkswirtschaftliche Schädlichkeit nicht mehr im Einzelfall anhand quantitativer Kriterien nachgewiesen werden. Den Anstoss zur Änderung gab eine Motion des ehemaligen Ständerats Olivier Français, die in die Teilrevision aufgenommen wurde.

Die verabschiedete Teilrevision bringt das Schweizer Recht in Einklang mit den Entwicklungen in der EU: Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) verlangt bei sogenannten bezweckten Wettbewerbsabreden eine Würdigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs (EuGH vom 29. Juni 2023, Rs. C-211/22 P – Super Bock Bebidas, zuvor bereits EuGH, Rs. C‑307/18 vom 30. Januar 2020 – Generics (UK)).

1.2 Missbrauchskontrolle

Marktbeherrschung als solche ist nicht verboten – der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aber kann sanktioniert werden (Art. 7 und 49a Abs. 1 KG). Auch zur Feststellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung muss die Wettbewerbskommission (WEKO) nach Art. 7 Abs. 3 revKG stets nicht nur qualitative Elemente (Erfahrungswerte), sondern auch quantitative Auswirkungen (konkrete Umstände auf dem Markt) prüfen.

Das Bundesgericht hat im Januar 2025 ebenfalls klargestellt, dass ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nur dann vorliegt, wenn ein Verhalten im Einzelfall «effektiv potentiell geeignet» ist, den wirksamen Wettbewerb zu beeinträchtigen (BGer 2C_244/2022 vom 23. Januar 2025 – Vifor/HCI Solutions). Drei Jahre vorher hatte das Bundesgericht sich noch dahingehend geäussert, dass eine abstrakte Gefährdung des Wettbewerbs zur Annahme eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ausreichen kann (BGer 2C_596/2019 vom 2. November 2019 – SIX/DCC). Die gesetzgeberische Klarstellung, dass die Missbräuchlichkeit einer Verhaltensweise im Einzelfall und anhand von quantitativen und qualitativen Umständen zu prüfen ist, sichert also Kontinuität.

2. Änderung bezüglich Absprachen über angebotsseitige Bruttopreise

Art. 5 KG wird in dem Sinne geändert, dass nur noch Abreden über Mindest- oder Festpreise sowie nachfrageseitige Höchstpreise in den Vermutungstatbestand von Art. 5 Abs. 3 KG fallen. Eine indirekte angebotsseitige Preisabrede, etwa über Bruttopreislisten, wird folglich nicht mehr als harte Absprache gewertet werden, sondern unterliegt der Einzelfallprüfung von Art. 5 Abs. 1 KG.

3. Modernisierung der Fusionskontrolle

Gewisse Vorhaben über Unternehmenszusammenschlüsse müssen vor Vollzug von der WEKO freigegeben werden. Eine Meldepflicht besteht, wenn die beteiligten Gesellschaften einen Umsatz von weltweit CHF 2 Mrd. oder einen auf die Schweiz entfallenden Umsatz von insgesamt mindestens CHF 500 Mio. erzielten und (in beiden Fällen) mindestens zwei der beteiligten Unternehmen einen Umsatz in der Schweiz von je mindestens CHF 100 Mio. erzielten (Art. 9 Abs. 1 KG). Eine Meldepflicht besteht auch, wenn für ein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen in einem KG-Verfahren rechtskräftig festgestellt wurde, dass es in der Schweiz auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung hat und der Zusammenschluss diesen Markt oder ihm vor- oder nachgelagert oder benachbarten Markt betrifft (Art. 9 Abs. 4 KG).

Kernelement der KG-Teilrevision betreffend Fusionskontrolle ist die Einführung eines neuen materiellen Prüfungsmassstabs: Unternehmenszusammenschlüsse werden neu anhand des SIEC-Tests beurteilt. Daneben gibt es künftig bei gewissen international meldepflichtigen Transaktionen Erleichterungen für die Schweizer Fusionskontrollmeldung.

3.1 SIEC-Test statt qualifizierter Marktbeherrschungstest

Nach geltendem Recht wendet die WEKO den qualifizierten Marktbeherrschungstest (dominance plus) an, wenn sie einen meldepflichtigen Unternehmenszusammenschluss prüft. Die WEKO kann einen Zusammenschluss untersagen oder ihre Genehmigung mit Auflagen oder Bedingungen versehen, wenn der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann (Art. 10 Abs. 2 KG)

Die Einführung des SIEC-Tests ermöglicht der WEKO neu einen Eingriff, wenn ein Zusammenschluss

  • den wirksamen Wettbewerb signifikant behindert und
  • keine von den meldenden Unternehmen begründeten und überprüfbaren Effizienzvorteile für Nachfrager bewirkt, welche diese Nachteile ausgleichen (Art. 10 Abs. 2 revKG).

Durch den Wechsel vom qualifizierten Marktbeherrschungstest zum SIEC-Test wird der Prüfstandard in der Schweizerischen Fusionskontrolle dem internationalen Standard angeglichen.

Im Unterschied zum qualifizierten Marktbeherrschungstest ermöglicht der SIEC-Test insbesondere Eingriffe bei einseitigen, das heisst nicht-koordiniert ausgelösten Wirkungen unterhalb der Schwelle für eine Einzelmarktbeherrschung (nicht kollusive Oligopole). Dadurch können den Wettbewerb signifikant behindernde Zusammenschlüsse gezielter untersagt oder mit Bedingungen und Auflagen zugelassen werden. Es ist nicht mehr nötig, dass ein Zusammenschluss zur Begründung einer marktbeherrschenden Stellung führt oder diese verstärkt.

Der SIEC-Test senkt also die Eingriffsschwelle der WEKO bei meldepflichtigen Unternehmenszusammenschlüssen. Er ermöglicht jedoch auch eine bessere Würdigung zusammenschlussbedingter Effizienzsteigerungen. Diese Effizienzvorteile (z.B. Synergieeffekte) müssen begründet und überprüfbar sein. Gemäss Botschaft unterstreicht diese Formulierung die diesbezüglich gesteigerte Mitwirkungs- und Substantiierungspflicht der Unternehmen (Botschaft vom 24. Mai 2023, S. 38.)

3.2 Erleichterte Meldung für internationale Zusammenschlüsse

Bei internationalen Zusammenschlüssen, die auch von der Europäischen Kommission beurteilt werden, soll die Meldepflicht gemäss Botschaft entfallen, wenn sämtliche vom Vorhaben betroffenen sachlichen Märkte räumlich so abzugrenzen sind, dass sie die Schweiz und zumindest den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erfassen (Art. 9 Abs. 1bis revKG).

Diese Neuerung ist sachlich gerechtfertigt, da sowohl in der EU als künftig auch in der Schweiz der SIEC-Test Anwendung findet. Entsprechend sind keine inhaltlich abweichenden Ergebnisse zu erwarten. Die Auswirkung der Neuerung dürfen jedoch nicht überschätzt werden. Schon heute beruht die Zusammenschlussmeldung in der Schweiz in solchen Fällen regelmässig auf der bei der EU-Kommission eingereichten Meldung. Die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes ist zudem häufig mit Unschärfen behaftet, weshalb ein Zusammenschluss im Zweifelsfall trotzdem bei der WEKO gemeldet werden dürfte. Die Botschaft hält ausdrücklich fest, dass die Prüfung der Voraussetzungen für einen Meldungsverzicht den betroffenen Unternehmen obliege und bei einem irrtümlichen Verzicht auf die Meldung «unverzüglich» zu melden sei (Botschaft vom 24. Mai 2023, S. 34 f.).

4. Stärkung des Kartellzivilrechts

Betroffene Unternehmen und Personen, die durch unzulässige Wettbewerbsabreden geschädigt wurden, können zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Mit der Teilrevision erfolgt eine Ausweitung der Aktivlegitimation auf Endkunden. Endkunden sind beispielsweise Konsumenten oder öffentliche Auftraggeber.

Nach Art. 12 revKG kann Schadenersatz geltend machen oder auf Gewinnherausgabe klagen, wer durch eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wurde. Damit schliesst das revidierte Kartellgesetz eine Haftungslücke: Bislang konnte sich ein den Wettbewerb behinderndes Unternehmen gegen Schadenersatzforderungen anderer Unternehmen unter Umständen mit dem Einwand verteidigen, dass diese keinen Schaden erlitten hätten, weil sie den aufgrund der unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung zu viel bezahlten Preis auf die nachgelagerte Marktstufe – letztlich die Endkunden – überwälzen konnten (sogenannte passing on defence). Diese Endkunden konnten aber mangels Aktivlegitimation keine Schadenersatzansprüche geltend machen.

Die Verjährungsfrist für kartellrechtliche Schadenersatzansprüche beträgt neu fünf Jahre und steht von der Untersuchungseröffnung der WEKO bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Unzulässigkeit still (Art. 12a Abs. 1 revKG). Zusätzlich wurde klargestellt, dass Zivilgerichte die anfängliche Unzulässigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung feststellen können, was die Durchsetzung von Ansprüchen erleichtert (Art. 13 revKG).

5. Änderungen im Verwaltungsverfahrensrecht

Schliesslich ändert die Teilrevision das Verwaltungsverfahren punktuell. Insbesondere werden Ordnungsfristen (Art. 44a revKG) und eine Parteientschädigung in Kartellverfahren (Art. 53b revKG) eingeführt. Zudem findet sich im Gesetz neu eine ausdrückliche Verankerung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 39a revKG).

Weiter wird das Widerspruchsverfahren angepasst (Art. 49a Abs. 4 revKG). Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens können Unternehmen geplante Verhaltensweisen, die als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden könnten, der WEKO vorab melden. Nach bisheriger Rechtslage entfiel das Sanktionsrisiko für die gemeldete Verhaltensweise, wenn die WEKO nicht innert fünf Monaten ein Verfahren gegen das Unternehmen eröffnete. Diese Frist wird mit der Teilrevision auf zwei Monate verkürzt. Zudem soll einzig die Eröffnung einer formellen Untersuchung (Art. 27 KG) und nicht, wie bislang, die Eröffnung einer Vorabklärung (Art. 26 KG) dazu führen, dass das Sanktionsrisiko wieder auflebt. Eröffnet die WEKO innert der Widerspruchsfrist also keine Untersuchung, entfällt das direkte Sanktionsrisiko für das gemeldete Verhalten also definitiv.

6. Relevanz für Unternehmen

Unternehmen dürften sich mit folgenden Auswirkungen konfrontiert sehen:

Das revidierte Kartellgesetz verlangt eine auswirkungsbasierte Analyse möglicher Wettbewerbsbeschränkungen. Dadurch erhöht es die Anforderungen an die WEKO für den Nachweis unzulässiger Abreden oder des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, gibt Unternehmen aber wieder mehr Spielräume für sinnvolle Kooperationen.

Die tieferen Eingriffsschwellen im Rahmen der Fusionskontrolle werden möglicherweise zu mehr vertieften Prüfungen (Phase II) führen. Gleichzeitig ermöglicht der SIEC-Test, mit einem Unternehmenszusammenschluss verbundene Effizienzvorteile besser zu würdigen.

Die Stärkung des Kartellzivilrechts senkt die Hürden für zivilrechtliche Kartellklagen. Durch die Erweiterung der Aktivlegitimation auf Konsumenten können sich betroffene Unternehmen vermehrt mit Schadenersatzforderungen konfrontiert sehen.

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