Neuer «Leading Case» zu Pre-Pack Sanierungen

Abstract

«Pre-Packs» erlauben eine «stille» (vertrauliche) und rasche Umsetzung einer Sanierung mittels eines vorverhandelten Verkaufs von Anlagevermögen oder eines ganzen Betriebs während der Nachlassstundung, wodurch die normalerweise mit einer Insolvenz verbundenen Wertverluste und negative Publizität minimiert werden.

Der kürzlich ergangene Entscheid des Bundesgerichts bestätigt die bisherige Praxis und bringt Rechtsicherheit bezüglich

  • der grundsätzlichen Zulässigkeit von privat vorverhandelten Pre-Packs,
  • deren Genehmigung durch das Gericht ohne Anhörung der Gläubiger sowie
  • der weitgehend ausgeschlossenen Anfechtbarkeit durch Gläubiger.

Der Bundesgerichtsentscheid unterstreicht damit die Möglichkeiten des Einsatzes von Schweizer Pre-Packs.

Das Bundesgericht schafft Klarheit in Bezug auf wichtige Aspekte der Sanierung von Unternehmen mittels vorverhandelten Verkaufs von Betriebsteilen («Pre-Pack»)

Im englischen und amerikanischen Recht etablierten sich sogenannte «Pre-Packs» seit längerem als wirkungsvolle Sanierungsmassnahme. Das Bundesgericht hat im unlängst veröffentlichten Entscheid 5A_827/2019 vom 18. März 2021 (zur Publikation als Leitentscheid vorgesehen) nun erstmals die bisherige Praxis von privat vorverhandelten, vertraulichen Pre-Packs in der Schweiz bestätigt und damit Rechtssicherheit geschaffen.

Sachverhalt und Entscheid

Der Gerichtsentscheid betraf den Verkauf eines Informatikunternehmens mit rund 70 Mitarbeitenden. Zunächst gründete die insolvenznahe Gesuchstellerin eine Tochtergesesellschaft und bereitete die Übertragung des Informatikunternehmens auf die Tochtergesellschaft mittels Vermögensübertragung vor. In einem privaten Bieterverfahren wurde ein Kaufpreis von rund CHF 1.3 Mio. für die Tochtergesellschaft ermittelt. Wenige Tage nach der Gründung der Tochtergesellschaft beantragte die Gesuchstellerin die Eröffnung der provisorischen Nachlassstundung mit folgenden Elementen:

  • Einsetzung eines Sachwalters
  • Verzicht auf die öffentliche Publikation der Nachlassstundung (sog. stille Stundung)

Am 13. Dezember 2018 genehmigte das Nachlassgericht das Gesuch um provisorische Nachlassstundung, ohne den Entscheid zu publizieren.

Kurze Zeit später genehmigte das Nachlassgericht den Antrag des Sachwalters, bestimmte Aktiven und Passiven auf die Tochtergesellschaft zu übertragen sowie deren anschliessenden Verkauf an den zuvor ermittelten Bieter. Der Entscheid wurde nur der Gesuchstellerin und dem Sachwalter eröffnet. Weniger als vier Monate nach der gerichtlichen Genehmigung des Pre-Pack bewilligte das Nachlassgericht die definitive Nachlassstundung über die Gesuchstellerin. Dieser Entscheid wurde veröffentlicht. Eine Gläubigerin erhob dagegen Beschwerde und machte unter anderem geltend, der Konkurs über die Gesuchstellerin hätte bereits per 13. Dezember 2018 eröffnet werden sollen und die Genehmigung des Pre-Pack sei als nichtig zu erklären.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Gläubigerin in allen Punkten ab, soweit es darauf eintrat.

Wichtigste Erwägungen des Bundesgerichts

  • Die Gläubigerin konnte die Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung nicht anfechten und deren rückwirkende Aufhebung verlangen.
  • Die Genehmigung eines Pre-Pack kommt namentlich dann in Frage, wenn Verkaufsverhandlungen fortgeschritten sind und mit einer sofortigen Veräusserung ein besseres Ergebnis für die Gläubiger zu erwarten ist.
  • Die Gläubigerin musste zur Genehmigung des Pre-Pack nicht angehört werden und sie hatte diesbezüglich keine Mitentscheidungsrechte.
  • Die Vertragsverhandlungen, die Ermittlung des Verkaufpreises, der Vertragsabschluss und dessen gerichtliche Genehmigung konnte vertraulich und unter Ausschluss der Gläubigerin erfolgen.
  • Selbst wenn die Gläubigerin von der Genehmigung des Pre-Pack erfahren hätte, wäre sie nicht berechtigt gewesen, dagegen eine Beschwerde zu erheben.
  • Es gab vorliegend keine Anhaltspunkte für einen nichtigen Entscheid des Nachlassgerichts.

Würdigung und Ausblick

In der Schweiz gewinnen Pre-Packs zunehmend an Bedeutung als Sanierungslösung, die gegenüber einem Konkurs einen oftmals grösseren Werterhalt für den betroffenen Schuldner, Arbeitnehmer und Geschäftspartner ermöglicht. Der Entscheid des Bundesgerichts bestätigt und ergänzt verschiedene Entscheide von regionalen Nachlassgerichten, die teilweise einen Pre-Pack innert weniger Tage genehmigten. Gemeinsam bekräftigt diese Gerichtspraxis die folgenden Vorzüge des Schweizer Pre-Pack:

  • Die Betriebsübertragung kann vertraulich vorbereitet werden.
  • Im Unterschied zu gewissen ausländischen Verfahren muss kein öffentliches Bieterverfahren stattfinden.
  • Die Sanierung kann rasch vollzogen werden.
  • Mit der gerichtlichen Genehmigung sind die Hürden für die Anfechtung eines Pre-Pack hoch und damit wird die Transaktion für Käufer sicherer.
  • Die Veräusserung eines Betriebsteils mittels Pre-Pack erzielt häufig einen grösseren Erlös als in der Konkursliquidation.

Neben diesen Vorteilen sind folgende Besonderheiten des Pre-Pack hervorzuheben:

  • Der Käufer kann die für ihn relevanten Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Verträge auswählen (allerdings vorbehaltlich der Zustimmung des Sachwalters und des Gerichts).
  • Der Käufer kann bestimmte, aber nicht alle Mitarbeiter übernehmen, ohne für bereits bestehende Ansprüche der Mitarbeiter gegenüber dem insolventen Schuldner (z. B. ausstehende Gehälter) zu haften.
  • Es besteht keine solidarische Haftung von Verkäufer und Käufer für Arbeitnehmeransprüche.

Dank den Vorzügen und der zunehmenden Praxis von Schweizer Pre-Packs dürften diese in Zukunft auch im internationalen Kontext an Bedeutung gewinnen.

Falls Sie Fragen zu diesem Bulletin haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Homburger Kontakt oder an: