Die neue EU-Verordnung über Drittstaatssubventionen
Abstract
Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen
Am 12. Januar 2023 ist die neue EU-Verordnung über Drittstaatssubventionen (Foreign Subsidies Regulation, FSR) in Kraft getreten, mit Wirkung ab dem 12. Juli 2023. Die FSR wird sich direkt auf Schweizer Unternehmen mit Umsatz in der EU auswirken, insbesondere wenn sie in der EU M&A-Aktivitäten planen oder an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen wollen. Die FSR führt neue Meldepflichten ein und gewährt der Europäischen Kommission von Amtes wegen Untersuchungsbefugnisse im Bereich der von Nicht-EU-Ländern gewährten Subventionen.
1. Einleitung: Die neue EU-Verordnung über ausländische Subventionen
Am 12. Januar 2023 trat die neue Verordnung über drittstaatliche Subventionen des Europäischen Parlaments und des Rats (Foreign Subsidies Regulation, FSR) in Kraft. Ziel der FSR ist es, mögliche Verzerrungen im EU-Binnenmarkt durch Subventionen von Drittstaaten an in der EU tätige Unternehmen zu identifizieren und zu beheben. Aus Sicht der Europäischen Kommission schliesst die FSR eine Regelungslücke: Drittstaatliche Subventionen wurden bis anhin nicht kontrolliert, während Subventionen, die von Mitgliedstaaten gewährt werden, einer genauen Prüfung unterliegen. Die FSR ergänzt somit die bestehenden EU-Beihilfevorschriften, die die von den EU-Mitgliedstaaten gewährten Subventionen regeln, und weitet das EU-Beihilferegime auf Nicht-EU-Länder aus.
Die FSR betrifft Schweizer Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in der EU, insbesondere wenn sie in der EU Transaktionen tätigen oder an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen. Potenziell betroffene Unternehmen sollten die nächsten sechs Monate nutzen, um sich auf die Anwendung der FSR in der Praxis vorzubereiten.
2. Die FSR verleiht der Europäischen Kommission drei neue Befugnisse
Die FSR gibt der Europäischen Kommission drei neue Instrumente an die Hand, um mögliche Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt durch drittstaatliche (Nicht-EU-)Subventionen zu untersuchen und zu beheben.
2.1. Meldepflicht für grosse Zusammenschlüsse
Ab dem 12. Oktober 2023, d.h. neun Monate nach Inkrafttreten der FSR, müssen Zusammenschlüsse bei der Europäischen Kommission angemeldet werden, wenn (i) mindestens eines der beteiligten Unternehmen (eines der fusionierenden Unternehmen, das Zielunternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen) in der EU ansässig ist und in der EU einen Umsatz von über 500 Mio. EUR erzielt und (ii) sich die Zuwendungen, die eines der beteiligten Unternehmen in den drei Jahren vor der Anmeldung aus Drittstaaten (Nicht-EU-Ländern) erhalten hat, auf insgesamt über 50 Mio. EUR belaufen. Die Unternehmen können vor der Anmeldung die Europäische Kommission zur Frage konsultieren, ob die Schwellenwerte erfüllt sind. Die Europäische Kommission kann verlangen, dass auch Zusammenschlüsse angemeldet werden, die die Schwellenwerte nicht erreichen.
2.2. Meldepflicht für Angebote im öffentlichen Beschaffungswesen
Bei öffentlichen Aufträgen müssen Angebote in der EU gemeldet werden, wenn (i) der Auftragswert 250 Mio. EUR übersteigt und (ii) der Bieter in den drei Jahren vor der Angebotsabgabe Zuwendungen in Höhe von mehr als 4 Mio. EUR aus Drittstaaten (Nicht-EU-Ländern) erhalten hat. Die Europäische Kommission kann auch verlangen, dass Angebote, die die Schwellenwerte nicht erreichen, dennoch angemeldet werden müssen, wenn sie der Auffassung ist, dass das Angebot aufgrund seiner Auswirkungen in der EU eine Vorabprüfung erfordert. Auch diese Meldeplficht greift ab dem 12. Oktober 2023.
2.3. Untersuchungsbefugnisse der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission ist von Amtes Wegen befugt, alle anderen Sachverhalte betreffend Subventionen aus Drittstaaten (Nicht-EU-Ländern) zu prüfen, wenn sie den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren können. Solche Prüfungen können auch auf Anzeigen Dritter zurückzuführen sein. Dies gilt für alle drittstaatlichen (Nicht-EU-)Subventionen, die Unternehmen in den letzten zehn Jahren vor der Untersuchung (aber nicht mehr als fünf Jahre vor Inkrafttreten der FSR) erhalten haben. Überschreiten drittstaatliche Subventionen die Schwelle von 4 Mio. EUR in einem zusammenhängenden Zeitraum von drei Jahren nicht, wird das Risiko einer Verzerrung des Binnenmarkts im Sinne der FSR jedoch in der Regel als gering angesehen.
3. Wie wird beurteilt, ob eine drittstaatliche Subvention wettbewerbsverzerrend ist?
Sollte eine Untersuchung ergeben, dass eine den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subvention vorliegt, wendet die Europäische Kommission eine Abwägungsprüfung an, in der sie die negativen Auswirkungen einer drittstaatlichen Subvention auf den Wettbewerb im Binnenmarkt gegen die positiven Auswirkungen auf die Entwicklung der betreffenden subventionierten Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt sowie andere positive Auswirkungen im Zusammenhang mit den einschlägigen politischen Zielen, insbesondere denen der EU, abwägt. Stellt die Europäische Kommission fest, dass die negativen Auswirkungen die positiven überwiegen, kann sie Abhilfemassnahmen auferlegen (z.B. die Rückgängigmachung des Erwerbs eines EU-Zielunternehmens, die Anordnung der Rückzahlung der erhaltenen ausländischen Subventionen, die Unterlassung bestimmter Investitionen in der EU, den Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen in der EU oder Lizenzverpflichtungen zu FRAND-Bedingungen (Fair, reasonable and non-discriminatory).
Die Kommission ist befugt, Entscheidunngen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen zu treffen, auch falls z.B. ein Unternehmen oder ein Staat nicht kooperiert und die angeforderten Informationen nicht vorlegt.
4. Was sind drittstaatliche Subventionen im Sinne der FSR?
Die FSR geht von einer sehr weiten Definition von drittstaatlichen Subventionen aus. Ausländische Subventionen umfassen jede direkte oder indirekte finanzielle Zuwendung aus einem Nicht-EU-Land (z.B. der Schweiz), die einem oder mehreren Unternehmen einen Vorteil verschafft. Dies kann beinhalten:
- Die Übertragung von Mitteln oder Verbindlichkeiten (z.B. Kapitalzuführungen, gewährte Darlehen und Bürgschaften);
- Der Verzicht auf sonst zustehende Einnahmen (z.B. Steuerbefreiungen, Gewährung von Sonder- oder Exklusivrechten ohne angemessene Vergütung); und
- Die Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen zu nicht marktüblichen Bedingungen.
Beiträge oder Subventionen werden nach der FSR nicht als problematisch angesehen, «wenn die Beurteilung aufgrund der Referenzwerte ergibt, dass das Unternehmen diesen Vorteil auch unter normalen Marktbedingungen erlangt hätte.»
In Bezug auf interne Verrechnungspreise stellt die FSR klar: «Durch Verrechnungspreise im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Unternehmens ausgetauscht werden, kann ein Vorteil verschafft werden, wenn diese Verrechnungspreise nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen. Der durch eine finanzielle Zuwendung entstandene Vorteil kann an ein Unternehmen weitergegeben werden, das eine wirtschaftliche Tätigkeit in der Union ausübt.» Unternehmen sollten daher ihre interne Preispolitik überprüfen, um eine mögliche Weitergabe ausländischer Subventionen zu ermitteln.
5. Wie wirkt sich die FSR auf Schweizer Unternehmen aus?
Schweizer Unternehmen mit Umsatz in den EU-Mitgliedstaaten sind von der FSR direkt betroffen, insbesondere wenn sie in der EU Transaktionen planen oder sich an öffentlichen Ausschreibungen in den EU-Mitgliedstaaten beteiligen.
Schweizer Unternehmen sollten mit Meldepflichten rechnen, wenn die Schwellenwerte erreicht werden, können aber auch Ziel von Untersuchungen der Europäischen Kommission von Amtes wegen sein, wenn sie in der EU tätig sind. Alle Subventionen, die Schweizer Unternehmen von schweizerischen öffentlichen Stellen (Bund, Kantone, Gemeinden) erhalten, gelten im Prinzip als Zuwendungen im Sinne der FSR. Dazu gehören z.B. besondere, individuell ausgehandelte Steuervergünstigungen (Rulings) oder individuell gewährte Unterstützung, selbst im Rahmen der Pandemieunterstützung, wenn sie einem einzelnen Unternehmen gewährt wird. Darüber hinaus müssen Schweizer Unternehmen auch Subventionen berücksichtigen, die ihnen von anderen Drittstaaten (Nicht-EU-Ländern) weltweit gewährt werden.
6. Schlussfolgerung und nächste Schritte
Es ist wahrscheinlich, dass zahlreiche M&A-Transaktionen und öffentliche Ausschreibungen mit Beteiligung von Schweizer Unternehmen in der EU meldepflichtig im Sinne der FSR werden. Die Unternehmen sollten damit beginnen, systematisch Informationen über alle finanziellen Zuwendungen oder Subventionen zu sammeln, die sie von drittstaatlichen (Nicht-EU-)Ländern auf weltweiter und konzernweiter Basis erhalten oder erhalten haben. Ebenso ist die Information wichtig, ob diese Beiträge zu Marktbedingungen erhalten wurden. Diese Informationen werden benötigt, um (i) zu beurteilen, ob eine Unternehmenstransaktion oder ein öffentliches Übernahmeangebot nach der FSR meldepflichtig ist und (ii) um Informationen bereitzustellen und eine Verteidigung vorzubereiten, falls ein Unternehmen Ziel einer Untersuchung von Amtes wegen wird.
Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass sie in Kürze Leitlinien für die Anwendung der FSR veröffentlichen wird. Bitte merken Sie sich bereits jetzt den Termin für unseren Roundtable zum Thema der FSR und ihren Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen vom Dienstag, 21. März 2023 um 17.30 Uhr (MEZ) vor.
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