Der Rettungsschirm für die Strombranche ist aufgespannt
Abstract
Der unkontrollierte Ausfall eines systemkritischen Stromunternehmens gefährdet die Stromversorgung in der Schweiz. Ein grossflächiger und länger andauernder Stromausfall könnte unermessliches Leid für Menschen und drastische Schäden der Wirtschaft verursachen.
Mit dem neuen Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft (FiREG) soll ein Rettungsschirm für die Strombranche aufgespannt werden. Das Gesetz bezweckt, die Stromversorgung der Schweiz auch bei unvorhergesehenen Entwicklungen zu gewährleisten. Liquiditätsengpässe von systemkritischen Unternehmen sollen mittels subsidiärer Finanzhilfe des Bundes verhindert werden. Trotz Eingriffen in das Marktgeschehen setzt das Gesetz Anreize, dass sich solche Unternehmen primär über den Kredit- und Kapitalmarkt finanzieren.
Subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Stromunternehmen – Folgen für die Finanzierung von Stromunternehmen
Das Parlament hat das Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft (FiREG) in der Schlussabstimmung vom 30. September 2022 genehmigt. Damit hat das Parlament die gesetzliche Grundlage für einen Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen geschaffen. Dieses Gesetz ist am 1. Oktober 2022 dringlich (d.h. ohne Abwarten der Referendumsfrist) in Kraft getreten und somit gemäss Art. 165 Abs. 1 BV befristet (bis 31. Dezember 2026, vgl. Art. 28 Abs. 2 FiREG). Mit Inkrafttreten des FiREG wurde die Verordnung des Bundesrats über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft (FiREVO) vom 5. September 2022 aufgehoben.
A. Hintergrund
Das FiREG ist ein Rettungsschirm für die Elektrizitätswirtschaft. Weshalb ist dieser Rettungsschirm nötig?
Auf den europäischen Energiemärkten ist es seit Herbst 2021 zu starken Preisaufschlägen gekommen, die sich mit dem Krieg in der Ukraine noch verschärft haben. Eine solche Preisvolatilität hat es historisch noch nie gegeben. Am Spotmarkt, an dem kurzfristig («day ahead») lieferbare Strommengen[1] gehandelt werden, lag der Preis bis Mitte 2021 bei Euro 40 bis 70 pro Megawattstunde. Seit Herbst 2021 und vor allem seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 schwanken die Preise auf hohem Niveau stark. Heute kostet der Strom am Spotmarkt ein Vielfaches im Vergleich zu 2021.
Grundsätzlich sind die Schweizer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft (bzw. umgangssprachlich Stromunternehmen) vor allem auch im Vergleich zu ihren europäischen Peers gut aufgestellt. Dennoch kann ein schockartiger Preisanstieg aufgrund der Struktur des europäischen Strommarkts zu einem unkontrollierten Ausfall eines systemkritischen Stromunternehmens führen. Damit würde auch die Schweizer Stromversorgung gefährdet. Ein grossflächiger Ausfall der Versorgung mit elektrischer Energie in der Schweiz, der eine grosse Zahl Personen betrifft (sog. «Blackout»), würde enorme Schäden an Personen und Vermögenswerten verursachen und die Leistungsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft drastisch reduzieren.
B. Zweck des Rettungsschirms
Gemäss Art. 1 Abs. 1 FiREG soll die Stromversorgung in der Schweiz auch bei unvorhergesehenen Entwicklungen gewährleistet sein. Als solche Marktentwicklungen gelten insbesondere sehr starke Preisausschläge innert kürzester Zeit oder ein weit verbreiteter Vertrauensverlust auf den Strommärkten, die zu Liquiditätsengpässen führen.
Zur Gewährleistung der Stromversorgung in der Schweiz soll die Insolvenz bzw. der Konkurs von systemkritischen Unternehmen im Stromsektor verhindert werden. Dies erfolgt über die Möglichkeit von subsidiären Finanzhilfen des Bundes in Form von Darlehen an solche Unternehmen. Damit kann den Stromunternehmen innert kürzester Frist Liquidität zugeführt werden, um mögliche unkontrollierte Kettenreaktionen zu verhindern. Die Liquiditätsunterstützung des Bundes ist somit auf Notfälle ausgerichtet.
Dabei will das FiREG Fehlanreize verhindern. Die Unternehmen sollen ihre finanzielle Handlungsspielraum insofern wahren, als das FiREG ihre Bemühungen um ausreichende Liquidität und Kapitalausstattung fördert. Fremdkapitalgeberinnen (wie etwa Banken) und Eigentümerinnen der Unternehmen sollen keine Anreize erhalten, ihre Kredite oder Kreditlinien zurückzuziehen bzw. das Kapital zu entziehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des FiREG darauf geachtet, dass Unternehmen nicht daran gehindert werden, Fremdkapital (z.B. über Kreditlinien bei Banken oder Emission von Anleihen) aufzunehmen.
Das FiREG ist bis Ende 2026 befristet. Danach soll es von anderen Regeln abgelöst werden, damit sich Finanzhilfen des Bundes erübrigen. In Frage kommen Vorschiften, die für den jederzeitigen Weiterbetrieb von wichtigen Funktionen wie die Stromproduktion sorgen (Business Continuity Management), ein Gesetz zur Integrität und Transparenz des Grosshandels von Strom sowie allfällige Vorgaben zur Liquidität und Kapitalausstattung von systemkritischen Stromunternehmen.
C. Eckpunkte des Rettungsschirms
1. Systemkritische Unternehmen
Adressaten des FiREG sind systemkritische Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft. Ist ein Unternehmen Teil eines Konzerns, so gilt nur die oberste Konzerngesellschaft mit Sitz in der Schweiz als systemkritisches Unternehmen (Art. 2 Abs. 4 FiREG).
Der Fokus auf systemkritische Unternehmen bedeutet umgekehrt, dass nicht systemkritische Unternehmen gestützt auf das FiREG keine Finanzhilfe erhalten. Vielmehr müssen sie durch ihre Eigentümerinnen finanziert werden.
1.1 Systemkritische Unternehmen gemäss FiREG
Als systemkritisch im Sinne des FiREG gelten Unternehmen, wenn sie (vgl. Art. 2 Abs. 1 FiREG):
- ihren Sitz in der Schweiz haben; und
- selbst, über direkt oder indirekt mit ihnen verbundene Konzerngesellschaften oder anderweitig (1) über eine in der Schweiz installierte Kraftwerksleistung von mindestens 1’200 Megawatt verfügen und (2) an organisierten Märkten für Elektrizität teilnehmen.
Derzeit erfüllen die Alpiq Gruppe, die Axpo Gruppe und die BKW Gruppe diese Kriterien. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Systemkritikalität sind somit die Produktionskapazitäten. Bei Unternehmen mit kleinem Anteil am schweizerischen Produktionspark geht der Gesetzgeber davon aus, dass ihr Ausfall durch andere Kraftwerksleistungen kompensiert werden kann und somit keine negativen Auswirkungen auf die Stabilität der Stromversorgung zeitigt. Keine Systemrelevanz hat ausserdem die Anzahl Endkunden, die ein Unternehmen mit Strom versorgt.
Mit dem Kriterium der Verfügbarkeit «über direkt oder indirekt mit ihnen verbundene Konzerngesellschaften oder anderweitig» werden nicht nur die Kraftwerksleistungen von Gesellschaften innerhalb einer konsolidierten Gruppe erfasst. Vielmehr werden auch Minderheitsbeteiligungen an anderen Kraftwerken oder anderweitige Rechte über Kraftwerksleistungen anderer Kraftwerke (z.B. Partnerwerke) eingerechnet. Grund dafür ist, dass bedeutende Produktionsanlagen in der Schweiz als Partnerwerke organisiert sind. Der von Partnerwerken produzierte Strom steht in der Regel ihren Eignerinnen gestützt auf exklusive Energiebezugsrechte zur Verfügung. Mithin wird für die Beurteilung der Systemkritikalität die verfügbare Kraftwerksleistung in ihrer Gesamtheit (d.h. auch vertragliche Verfügbarkeiten) betrachtet. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Partnerwerk in der Rechtsform einer juristischen Person, welches ein Kraftwerk betreibt und ihren Eignerinnen oder anderen juristischen Personen Energie liefert, nicht als systemkritisches Unternehmen nach dem FiREG gilt.
1.2 Durch Verfügung unterstellte Unternehmen
Neben den per se systemkritischen Unternehmen können auch andere Unternehmen kraft Verfügung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) als systemkritisch eingestuft werden. Das UVEK kann nach Anhörung der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) eine solche Verfügung erlassen, wenn ein Unternehmen (vgl. Art. 2 Abs. 2 FiREG):
- über seine Handelsgeschäfte mit anderen Unternehmen der Energiewirtschaft vernetzt ist;
- Leistungen erbringt, die nicht innerhalb einer Frist, die für die schweizerische oder regionale Volkswirtschaft tragbar ist, durch andere Marktteilnehmer ersetzt werden können;
- über einen Versorgungsauftrag in der Schweiz verfügt; und
- über eine Produktion in der Schweiz verfügt, deren Produkte sie am Markt absetzt.
Zudem kann ein Unternehmen, das die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, bis spätestens 1. April 2023 beim UVEK den Erlass einer Verfügung beantragen, die feststellt, dass das Unternehmen als systemkritisch gilt (Art. 2 Abs. 3 FiREG). Das UVEK entscheidet dabei nach Anhörung der ElCom.
Falls ein Unternehmen erst nach 1. April 2023 diese Voraussetzungen erfüllt, sollte ein Antrag nicht wegen Fristablauf abgewiesen werden. Vielmehr wäre es sinnvoll, wenn das UVEK einen solchen Antrag trotzdem behandeln würde, wenn es der Zweck des FiREG gebietet.
2. Grundsatz der Subsidiarität
Für die Gewährung von Finanzhilfe gilt der Grundsatz der Subsidiarität (Art. 1 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 FiREG). Die Finanzhilfe des Bundes soll als allerletzte Möglichkeit eingesetzt werden, um eine Krisensituation abzuwenden.
2.1 Pflichten des Stromunternehmens und dessen Eigentümerinnen
Nach dem Grundsatz der Subsidiarität müssen die systemkritischen Unternehmen geeignete Massnahmen vorkehren, um das finanzielle Fortbestehen zu gewährleisten. Primär verantwortlich für die Vermeidung eines Liquiditätsengpasses ist nach Ansicht des Gesetzgebers das oberste Leitungs- und Verwaltungsorgan, in der Aktiengesellschaft der Verwaltungsrat. Die Mitglieder des Verwaltungsrats und die Personen, die mit der Geschäftsführung betraut sind, sind verpflichtet, ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt zu erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen zu wahren. Aus dieser Treue- und Sorgfaltspflicht folgt eine Pflicht zur Finanzplanung und zur Überwachung der Finanz- und Vermögenslage. Ausserdem muss der Verwaltungsrat auch die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft überwachen.
Falls die Zahlungsfähigkeit gefährdet erscheint, gebietet die Treue- und Sorgfaltspflicht, dass die Organe geeignete Massnahmen treffen, um die Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Dabei müssen sämtliche Finanzierungsquellen in Betracht gezogen werden. Dazu gehören Fremd- und Eigenkapital. Der Gesetzgeber konzediert zwar, dass aktienrechtlich keine Nachschusspflichten für Aktionärinnen und Aktionäre bestehen. Jedoch ist er der Ansicht, dass die Eignerstellung eine gewisse (politische) Verantwortung begründet, die eine finanzielle Unterstützung eines systemkritischen Unternehmens nötig macht. Dies vor allem dann, wenn die Aktionärinnen und Aktionäre Einfluss auf die Strategie und Geschäftstätigkeit des Stromunternehmens (z.B. über ihre Vertretungen im Verwaltungsrat) ausüben. Je höher die Einflussnahme, desto eher besteht eine Pflicht zum Einschuss von Finanzmitteln (über Darlehen oder Aktienkapital).
2.2 Durchsetzung des Subsidiaritätsgrundsatzes
Das FiREG stellt klar, dass kein Anspruch auf Finanzhilfe besteht (Art. 3 Abs. 2 FiREG). Damit wird primär die Durchsetzung des Subsidiaritätsgrundsatzes bezweckt. Das Stromunternehmen bzw. dessen Eigentümerinnen sollen alle zumutbaren Selbsthilfemassnahmen treffen, um sich über den Kredit- und Kapitalmarkt zu finanzieren. Werden diese Pflichten nicht befolgt, könnte der Bund die Finanzhilfe ablehnen. Allerdings ist es fraglich, ob der Bund dieses Recht in einer Krisensituation geltend machen würde. Droht ein «Blackout», was bei Ausfall eines systemkritischen Unternehmens angenommen werden kann, müsste der Bund zur Abwendung von volkswirtschaftlichen Schäden ohnehin einspringen. Und zwar unabhängig davon, ob ein Unternehmen den Subsidiaritätsgrundsatz eingehalten hat. Entsprechend sieht auch Art. 4 Abs. 2 FiREG vor, dass Finanzhilfe mittels Darlehensverfügung gewährt werden kann, selbst wenn das Unternehmen nicht alle zumutbaren Selbsthilfemassnahmen getroffen hat.
Im Hinblick auf die Subsidiarität hat der Gesetzgeber sodann Lenkungsanreize gesetzt. Mit dem Risikozuschlag gemäss Art. 7 Abs. 3 FiREG, der jährlich 4 – 8 % (bzw. unter bestimmten Voraussetzungen 5 – 10 %) des bezogenen Darlehensbetrags beträgt, soll ein Unternehmen den Bund nur als «lender of last resort» angehen. Nämlich dann, wenn sich das Unternehmen nicht mehr über den Kredit- oder Kapitalmarkt finanzieren kann. Zudem dient der Risikozuschlag als Anreiz, die Finanzhilfe des Bundes raschestmöglich zurückzuzahlen.
3. Finanzhilfe in Form von Darlehen
Die Finanzhilfe erfolgt in Form von Darlehen (Art. 3 FiREG). Das Darlehen wird durch Verfügung des UVEK oder Abschluss eines Vertrags gewährt.
3.1 Darlehensverfügung
Das UVEK kann ein Darlehen auf Antrag eines Unternehmens gemäss Art. 4 FiREG verfügen. Bei der Darlehensgewährung mittels Verfügung bestimmt der Bund einseitig die Eckwerte und Modalitäten des Darlehens.
Der Verhandlungsspielraum des Unternehmens ist dadurch sehr eingeschränkt. Obwohl dem Unternehmen der verwaltungsrechtliche Beschwerdeweg offensteht, wenn es mit Bestimmungen oder Bedingungen des Darlehens nicht einverstanden ist, ist dieses Recht in der Praxis wohl eher theoretisch. Befindet sich das Unternehmen in einer Krisensituation, ist rasches Handeln geboten. Zeit für ein Beschwerdeverfahren, das im besten Fall einige Monate dauert (vgl. auch Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, Art. 26 FiREG), besteht in einer solchen Situation nicht mehr. Insoweit ist dieser Rechtsschutz nicht zielführend.
3.2 Darlehensvertrag
Anstelle einer Verfügung kann das UVEK mit dem Unternehmen einen öffentlich-rechtlichen Darlehensvertrag abschliessen. In dieser Konstellation kann das Unternehmen grösseren Einfluss auf die Parameter des Darlehens nehmen. Die Verhandlung eines Darlehensvertrages braucht indessen Zeit, welche das Unternehmen in einem Krisenfall vielleicht nicht hat.
Auf solche öffentlich-rechtliche Verträge finden die Vorschriften des OR als subsidiäres öffentliches Recht analog Anwendung. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wie privatrechtliche nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Jedoch wird vermutet, dass die Vertragsparteien nicht mit dem öffentlichen Interesse im Widerspruch stehen wollten. Die Verwirklichung von öffentlichen Interessen gilt indessen nicht als vorrangig.
3.3 Verfahrensaspekte
Das UVEK gewährt die Darlehen mittels Verfügung oder Vertrag im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD). Das Einvernehmen mit dem EFD zielt auf die Einhaltung von ausgabenpolitischen, subventions- und finanzhaushaltsrechtlichen Vorgaben ab. Beim Erlass einer Darlehensverfügung oder bei Abschluss eines Darlehensvertrags kann das UVEK sodann weitere Verwaltungseinheiten des Bundes (insbesondere die ElCom) beiziehen (Art. 25 FiREG).
4. Phasen der Finanzhilfe
Die Finanzhilfe des Bundes lässt sich in drei Phasen unterteilen: Inkrafttreten des FiREG, Darlehensgewährung mittels Darlehensverfügung oder Darlehensvertrag und Bezug bzw. Auszahlung des Darlehens. Jede Phase hat unterschiedliche Folgen für die systemkritischen Unternehmen und den Bund.
4.1 Inkrafttreten des FiREG
Vor Inkrafttreten des FiREG hat das Parlament in einem einfachen Bundesbeschluss einen Verpflichtungskredit in der Höhe von CHF 10 Mia. für Darlehen nach dem FiREG bewilligt (Art. 17 FiREG). Dies war erforderlich, damit sich der Bund verpflichten kann, die im FiREG vorgesehenen Darlehen zu gewähren und auszuzahlen.
Ab Inkrafttreten des FiREG müssen die systemkritischen (bzw. nach Art. 2 Abs. 2 FiREG unterstellten) Unternehmen dem Bund eine jährliche Bereitstellungspauschale zahlen. Eine solche Gebühr ist im Kreditmarkt üblich, jedoch bei Bankenfinanzierungen erst ab Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Gemäss FiREG ist die jährliche Bereitstellungspauschale indessen unabhängig davon geschuldet, ob bereits Darlehen gewährt oder ausgezahlt wurden.
Die Bereitstellungspauschale setzt sich zusammen aus (Art. 18 Abs. 2 FiREG):
- einem Betrag, welcher der Rendite einer vierjährigen Bundesanleihe in der Höhe des Verpflichtungskredits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes entspricht; und
- den Kosten, die dem Bund aus dem Beizug Dritter für den Vollzug des Gesetzes entstehen.
Die Bereitstellungspauschale soll die Kosten des Bundes insbesondere für das Bereithalten der Liquidität und für die Umsetzung des FiREG decken. Wenn die jährliche Bereitstellungspauschale ähnlich oder weniger hoch als marktübliche Bereitstellungsgebühren von Bankfinanzierungen ausfällt, kann das UVEK die Pauschale erhöhen. Eine solche Erhöhung ist auch aus anderen Gründen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zulässig (Art. 18 Abs. 4 FiREG).
Die Bereitstellungspauschale wird anteilmässig auf alle jeweils am 31. Dezember als systemkritisch geltenden Unternehmen verteilt. Der Anteil der einzelnen Unternehmen berechnet sich nach ihrem Anteil an der gesamten in der Schweiz installierten Kraftwerksleistung aller systemkritischen Unternehmen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des FiREG (Art. 18 Abs. 5 FiREG). Nach Schätzungen des Bundes belaufen sich diese Anteile auf CHF 10 – 20 Mio. pro Jahr je Unternehmen. Die Bereitstellungspauschale reduziert sich bzw. entfällt, falls und insoweit im selben Jahr Zinsen und Risikozuschläge auf die effektiv ausgezahlten Darlehen gezahlt werden.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die systemkritischen Unternehmen schon ab Inkrafttreten der FiREVO, d.h. 5. September 2022, eine Bereitstellungspauschale zahlen mussten. Denn der Bundesrat hat an diesem Datum die FiREVO als Notverordnung erlassen, und zwar als Folge des Antrags der Axpo auf eine Kreditlinie von bis zu CHF 4 Mia. Die FiREVO enthielt eine Bestimmung, die Art. 18 FiREG weitgehend entsprochen hat.
Neben der Bereitstellungspauschale müssen die unterstellten Unternehmen diejenigen Auskünfte erteilen und Unterlagen sowie Informationen zur Verfügung zu stellen, die für den Vollzug des Gesetzes erforderlich sind (Art. 19 FiREG). Dazu gehören insbesondere Unterlagen und Informationen zur Finanzlage und den abgeschlossenen Energiehandelsgeschäften sowie eine Darstellung der Marktentwicklungen. Diese Auskunfts- und Informationspflichten gelten auch für Konzerngesellschaften, die mit den unterstellten Unternehmen direkt oder indirekt verbunden sind, und deren Revisionsstellen. Der Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Behörden findet im Hinblick auf eine rasche Darlehensgewährung statt. Wenn unvorhergesehene Marktentwicklungen eintreten und zu einem Liquiditätsengpass führen, muss der Bund Darlehen zeitnah ausrichten können.
4.2 Darlehensgewährung mittels Darlehensverfügung oder Darlehensvertrag
Ein Darlehen wird mittels Darlehensverfügung oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Darlehensvertrags gewährt. Mit dieser Darlehensgewährung fliesst grundsätzlich noch kein Geld (vorbehältlich anderer Anordnung bzw. Abrede). Vielmehr werden dadurch die Bestimmungen und Bedingungen des Darlehens fixiert (vgl. Ziff. 5 unten), insbesondere die Höhe des Darlehens und die Zinsmodalitäten. Damit soll gewährleistet werden, dass die systemkritischen Unternehmen in Krisensituationen rasch Darlehen beziehen können und somit handlungsfähig bleiben.
Eine solche Darlehensgewährung hat keine weiteren finanziellen Folgen für das Unternehmen. Die Pflicht, eine Bereitstellungspauschale gemäss Art. 18 FiREG zu zahlen, besteht weiter.
Ab dem Zeitpunkt des Antrags auf Darlehensgewährung entstehen weitere Auskunfts- und Informationspflichten. Insbesondere müssen die Finanzplanung sowie Informationen über die Höhe und die Ausschöpfung von Darlehen bzw. Kreditlinien der bestehenden Finanzierungspartner und über Sicherheitsleistungen (Margin Calls) an allen organisierten Marktplätzen zur Verfügung gestellt werden (Art. 19 Abs. 3 FiREG).
4.3 Bezug bzw. Auszahlung des Darlehens
Eine neue Phase beginnt, nachdem die Unternehmen Darlehen bezogen haben. Der Modalitäten und Verfahren des Darlehensbezugs sind in Art. 8 f. FiREG geregelt (vgl. Ziff. 5.2 unten).
Ab Auszahlung des Darlehens werden den Unternehmen weitere Pflichten auferlegt (vgl. Art. 10 FiREG). Insbesondere werden die Unternehmen verpflichtet, zweckmässige Informationen in geeigneter Form auch der Bevölkerung zugänglich zu machen (Art. 19 Abs. 4 FiREG).
5. Ausgestaltung des Darlehens
5.1 Kommerzielle Aspekte
Das Darlehen muss gemäss Art. 6 Abs. 3 FiREG in Schweizer Franken gewährt werden. Die systemkritischen Unternehmen sollen das Fremdwährungsrisiko selbst tragen, und nicht der Bund. Der Bund soll nicht Fremdwährungen beschaffen müssen.
Die Darlehenssumme, die maximal beziehbar ist, wird in der Darlehensverfügung bzw. dem Darlehensvertrag definiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Summe auch tatsächlich abgerufen werden kann. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass beim Unternehmen infolge von unvorhergesehenen Entwicklungen im Zeitpunkt des Abrufs ein Liquiditätsengpass entstanden ist (vgl. Art. 9 Abs. 3 FiREG).
Die Darlehen müssen marktgerecht verzinst werden (Art. 7 Abs. 2 FiREG). In der Bankpraxis setzt sich der Zins in der Regel aus dem Referenzzinssatz und der Zinsmarge zusammen. Der Referenzzinssatz wird dabei in der Darlehensverfügung bzw. dem Darlehensvertrag objektiv bestimmbar festgelegt und im Zeitpunkt des Darlehensabrufs gestützt auf die dannzumaligen Marktzinsen (z.B. SARON) und Laufzeit der entsprechenden Darlehenstranche berechnet. Die Zinsmarge wird insbesondere unter Berücksichtigung des Bonitäts-Rating des Unternehmens bemessen. Es ist aber fraglich, ob in diesem Zusammenhang überhaupt von Marktgerechtigkeit des Zinses gesprochen werden kann. Denn aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes muss davon ausgegangen werden, dass sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über den Kredit- oder Kapitalmarkt finanzieren kann (vgl. auch Art. 9 Abs. 2 FiREG). Insofern besteht gerade kein Markt mehr, und die Marktgerechtigkeit lässt sich nicht überprüfen.
Neben dem Zins erhebt der Bund einen Risikozuschlag (Art. 7 Abs. 2 FiREG). Dieser Zuschlag dient als Ausgleich dafür, dass das Unternehmen auf dem Markt keine Liquidität mehr beschaffen kann und der Bund aufgrund der fehlenden Kredit- und Kapitalmarktfähigkeit des Unternehmens, einspringen muss. Der Risikozuschlag beträgt je nach Risiko jährlich zwischen 4 und 8 Prozent (vgl. Art. 7 Abs. 3 FiREG). Der Risikozuschlag bezweckt, dass Fehlanreize verhindert werden und die Unternehmen alles unternehmen, um sich über andere Fremd- und Eigenkapitalquellen zu finanzieren und nur im äussersten Notfall Bundesdarlehen beanspruchen. Der Risikozuschlag wird erst mit dem Ablauf der Möglichkeit, die Auszahlung eines Darlehens zu beantragen, zur Zahlung fällig (Art. 7 Abs. 4 FiREG). Der Risikozuschlag erhöht sich auf 5 bis 10%, wenn das Unternehmen während der Dauer der Möglichkeit des Bezugs gegen Pflichten, Auflagen oder Bedingungen des Darlehensvertrags bzw. der Darlehensverfügung oder gegen das FiREG verstösst.
5.2 Voraussetzungen für die Auszahlung des Darlehens
Mit dem Erlass der Darlehensverfügung bzw. Abschluss des Darlehensvertrags gilt das Darlehen im Sinne des Gesetzes als gewährt. Eine Auszahlung kann, muss aber nicht zu jenem Zeitpunkt erfolgen. Der Bezug bzw. die Auszahlung des Darlehens erfolgt auf Antrag des Unternehmens an das UVEK. Die Modalitäten (Art. 8 FiREG) und Voraussetzungen (Art. 9 FiREG) des Darlehensbezugs sind in der Darlehensverfügung bzw. im Darlehensvertrag geregelt.
Zu den Modalitäten gehören insbesondere die Höhe und die Laufzeit des Darlehens, die sich innerhalb des Kreditrahmens bewegen müssen. Zudem muss der Antrag auf Bezug des Darlehens die Zinsberechnung (Referenzzinssatz und Zinsmarge) sowie eine Begründung des Liquiditätsbedarfs und gewisse Bestätigungen enthalten. Insbesondere muss ein zur Vertretung befugtes Mitglied des Verwaltungsrats schriftlich bestätigen, dass «die Darlehensnehmerin nicht überschuldet ist und alle zumutbaren Selbsthilfemassnahmen getroffen hat» (vgl. Art. 9 Abs. 2 FiREG).
Das UVEK veranlasst die Auszahlung nur, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 3 FiREG):
- das Unternehmen hat alle zumutbaren Selbsthilfemassnahmen getroffen und ist nicht überschuldet;
- beim Unternehmen entsteht infolge von unvorhergesehenen Entwicklungen ein Liquiditätsengpass; und
- dem Unternehmen droht in der Folge unmittelbar Illiquidität oder Überschuldung und die Elektrizitätsversorgung in der Schweiz würde dadurch gefährdet.
Es ist möglich, dass der Darlehensvertrag bzw. die Darlehensverfügung weitere Voraussetzungen oder Verpflichtungen enthält.
6. Pflichten als Folge des Darlehens
Ab Erlass der Darlehensverfügung bzw. Abschluss des Darlehensvertrags bis zum Ende der Möglichkeit zum Bezug oder bis zur vollständigen Rückzahlung der Darlehen sowie Zahlung der Zinsen und des Risikozuschlags wird die Wirtschafts- und Handlungsfreiheit des Unternehmens eingeschränkt. Insbesondere dürfen ab diesem Zeitpunkt keine Dividenden und Tantiemen an Personen ausserhalb des Konzerns gezahlt oder Darlehen an die Eigentümerinnen der obersten Konzerngesellschaft gewährt werden.
Ausserdem – und dies wurde erst im Lauf der parlamentarischen Beratung eingefügt – dürfen die Unternehmen ab Erlass der Darlehensverfügung bzw. Abschluss des Darlehensvertrags keine Sondervergütungen oder variablen Lohnbestandteilen an Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats beschliessen oder auszahlen (Art. 10 FiREG).
D. Würdigung
Ordnungspolitisch ist das FiREG problematisch. Der staatliche Eingriff verletzt die Grundregeln der freien Marktwirtschaft.
Trotz dieser ordnungspolitischen Bedenken: Das Aufspannen des Rettungsschirms mit dem FiREG ist unausweichlich. Die Stromversorgung in der Schweiz muss oberste Priorität haben. Der unkontrollierte Ausfall eines systemkritischen Stromunternehmens kann eine Kettenreaktion auslösen und die Stromversorgung in der Schweiz gefährden. Ein grossflächiger Stromausfall würde enorme Schäden an Personen und Vermögen verursachen und gravierende Auswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft haben.
Solche unwägbaren Risiken und unvorhersehbaren Konsequenzen will das FiREG adressieren. Insgesamt scheint uns das FiREG zweckmässig und ausgewogen. Wir begrüssen, dass der Gesetzgeber gewisse Eingriffe in das strategische und operative Geschäft der Stromunternehmen, welche der Vorentwurf des Gesetzes noch vorgesehen hatte, entschärft hat.
Wünschenswert wäre gewesen, wenn der Gesetzgeber nicht nur Finanzhilfe bei Liquiditätsengpässen, sondern auch bei Solvenzproblemen bzw. Überschuldungssituationen vorgesehen hätte. Denn auch in solchen Fällen droht der Ausfall eines Stromunternehmens, welcher die Stromversorgung gefährdet und zu einem Stromausfall führen könnte. Ausserdem hat es der Gesetzgeber verpasst, neben Fremdkapital auch andere Formen der Finanzhilfe (z.B. eigenkapitalähnliches oder Eigenkapital) zu regeln. Wären solche Finanzhilfen in einer Krisensituation opportun und zweckdienlich, müsste sich der Bundesrat auf Notrecht berufen.
[1] In diesem Bulletin werden die Begriffe «Elektrizität» und «Strom» synonym verwendet, obwohl sie technisch unterschiedliche Bedeutungen haben.
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