Rückstellungen für die wirtschaftlichen Folgen von COVID-19

Abstract

Bilanzielle und steuerliche Möglichkeiten

Im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2019 stellt sich für viele Unternehmen die Frage, ob die wirtschaftlichen Folgen von COVID-19, die sie im Geschäftsjahr 2020 erleiden, im handelsrechtlichen Abschluss 2019 durch Bildung einer Sonderrückstellung berücksichtigt werden können, und wie eine solche Rückstellung durch die Steuerbehörden beurteilt wird.

Bilanzielle Behandlung

Für die bilanzielle Behandlung muss unterschieden werden zwischen (i) Ereignissen nach dem Bilanzstichtag, deren Ursache am Bilanzstichtag bereits bestand, und (ii) solchen Ereignissen, deren auslösende Ursache erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten ist. Besteht die Ursache für ein Ereignis bereits am Bilanzstichtag, so ist das Ereignis in der Jahresrechnung des abgelaufenen Geschäftsjahres buchungspflichtig, wenn das Unternehmen nach dem Bilanzstichtag zusätzliche Informationen dazu erhält. Tritt die auslösende Ursache erst nach dem Bilanzstichtag ein, wird das Ereignis grundsätzlich nicht in der Jahresrechnung erfasst, ist aber im Anhang ausweispflichtig (Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Band «Buchführung und Rechnungslegung» Ausgabe 2014, IV.5.16.1).

EXPERTsuisse

Gemäss EXPERTsuisse handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie um ein aus Optik des Jahresabschlusses per 31. Dezember 2019 nicht buchungspflichtiges Ereignis nach dem Bilanzstichtag (non-adjusting event), weshalb allfällige bilanzielle Konsequenzen erst in Jahresrechnungen mit Stichtag nach dem 31. Dezember 2019 zu berücksichtigen sind. Unbeschadet davon soll jedoch die freiwillige Verbuchung einer solchen Rückstellung möglich sein: «Ungeachtet der Tatsache, dass die durch COVID-19 ausgelösten Ereignisse solche «nach dem Bilanzstichtag» sind, ist es aufgrund der ausserordentlichen Situation mit mutmasslich starken finanziellen Auswirkungen für einzelne Unternehmen durchaus denkbar, im Rahmen der Möglichkeiten des Obligationenrechts zum Beispiel die Vornahme zusätzlicher Wertberichtigungen oder die Bildung von Rückstellungen als Instrumente zur Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens im Sinne von Art. 960a Abs. 4 OR sowie Art. 960e Abs. 3 Ziff. 4 OR zu prüfen» (EXPERTsuisse, Coronavirus – Implikationen für die Rechnungslegung nach OR, Update vom 20. März 2020). Entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, dürften die Revisionsstellen unter diesen Voraussetzungen möglicherweise selbst im Abschluss per 31. Dezember 2019 eine Rückstellung für die wirtschaftlichen Folgen von COVID-19 zulassen. Wenn das Geschäftsjahr nicht dem Kalenderjahr entspricht und etwa im März 2020 endet, kann wiederum eine andere Beurteilung möglich sein.

Steuerrecht und Verwaltungspraxis der kantonalen Steuerbehörden

Nach dem Massgeblichkeitsprinzip bildet die Handelsbilanz die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung. Grundvoraussetzung, damit eine Rückstellung durch das Steuerrecht anerkannt wird, ist deren handelsrechtliche Erfassung. Allerdings sieht das Steuerrecht Korrekturvorschriften vor. Ist eine Rückstellung geschäftsmässig nicht begründet, können die Steuerbehörden ihrer Bildung die steuerliche Anerkennung verweigern. Dies gilt insbesondere auch für periodenfremde Rückstellungen. Die Steuerbehörden wenden in der Regel ein strenges Periodizitätsprinzip an. Wenn die Steuerbehörden die Bildung einer Rückstellung als steuerlich nicht abzugsfähig anerkennen, führt dies zu einer Abweichung der Steuerbilanz von der Handelsbilanz. Die steuerliche Nichtanerkennung von Rückstellungen durch Aufrechnung in der Steuerbilanz erhöht den steuerbaren Reingewinn der fraglichen Periode und führt zur Bildung einer versteuerten stillen Reserve. Die handelsrechtlich erfolgswirksame Auflösung der Rückstellung in einem späteren Geschäftsjahr ist entsprechend steuerneutral. Diese Grundsätze sind auch bei der Bildung einer Rückstellung im Jahresabschluss 2019 im Zusammenhang mit COVID-19 von Bedeutung.

Die meisten Steuerverwaltungen stellen sich auf den Standpunkt, dass die Bildung einer Sonderrückstellung für die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie im Jahresabschluss 2019 periodenfremd und deshalb gewinnsteuerlich nicht zu akzeptieren ist. Die Verwaltungspraxis ist aber nicht einheitlich. Soweit ersichtlich akzeptieren derzeit nur die Steuerverwaltungen der Kantone Aargau, Thurgau, Zug und Wallis die Bildung einer «Corona-Sonderrückstellung» im Jahresabschluss 2019. Und die Anforderungen in diesen Kantonen sind nicht einheitlich:

Zug: Der Kanton Zug akzeptiert im Abschluss eine steuerliche Rückstellung bis zu maximal 50% des Gewinns bzw. des Einkommens aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (ohne ausserordentliche Faktoren wie z.B. Veräusserungs- und Auf-wertungsgewinne), jedoch maximal bis zum Betrag von CHF 500’000. Die so gebildete ausserordentliche Rückstellung 2019 ist in der Jahresrechnung 2020 wieder aufzulösen.

Thurgau: Die steuerlich anerkannte Rückstellung im Abschluss 2019 darf höchstens 25% des ausgewiesenen Gewinnes des Geschäftsjahres 2019 vor Verbuchung der Rückstellung betragen, maximal jedoch CHF 1 Mio. Ob, wie im Kanton Zug, die Rückstellung in 2020 aufgelöst werden muss, lässt der Kanton Thurgau offen.

Wallis: Alle Unternehmen mit Sitz im Kanton Wallis, die direkt und indirekt unter den negativen Folgen von COVID-19 leiden, können für das Geschäftsjahr 2019 eine ausserordentliche Rückstellung bilden. Wie hoch diese Rückstellung sein darf, bleibt offen. Sie muss, gleich wie im Kanton Zug, im Rechnungsjahr 2020 aufgelöst werden.

Aargau: Der Kanton Aargau lässt ebenfalls eine Sonderrückstellung im Geschäftsjahr 2019 zu. Eine solche Rückstellung ist im Umfang von bis zu 25% des steuerbaren Gewinnes 2019 (vor Steuern und Verbuchung der Rückstellung) sowie maximal in Höhe von CHF 250’000 zulässig. Wie im Kanton Zug ist die Sonderrückstellung im Jahresabschluss 2020 erfolgswirksam aufzulösen. Als bislang einziger Kanton hält der Aargau in seiner Weisung fest, dass die Sonderrückstellung nur für die Kantons- und Gemeindesteuern, nicht jedoch für die direkte Bundessteuer sowie das AHV-pflichtige Einkommen zulässig ist.

Nach dem aktuellen Stand akzeptieren die meisten Kantone eine «Corona-Sonderrückstellung» steuerlich nicht. Der Kanton Schwyz etwa hat diese Praxis ausdrücklich auf seiner Webpage publik gemacht.

Wir werden für Sie die Entwicklungen verfolgen und eine aktualisierte Fassung dieses Bulletins veröffentlichen, sobald sich weitere Steuerbehörden zu diesen Fragen geäussert haben.

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